Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
nicht immer Lews Therin, die Fratze, die er inzwischen als Lews Therins Gesicht erkannte. Manchmal war es verschwommen und doch vage vertraut, und Lews Therin schien davor ebenfalls zu erschrecken. Das war ein Hinweis darauf, wieweit der Wahnsinn bei Lews Therin fortgeschritten war. Oder vielleicht bei ihm selbst.
Noch nicht, dachte Rand. Ich kann es mir noch nicht leisten, wahnsinnig zu werden.
Wann dann? flüsterte Lews Therin, bevor Rand ihn wieder zum Schweigen bringen konnte.
Mit der Ankunft Gedwyns und der Asha’man begann die Ausführung seines Plans, die Seanchaner westwärts zu treiben, schritt jedoch sehr zögerlich voran. Rand wechselte unverzüglich sein Lager und bemühte sich nicht, sein Vorgehen zu verbergen. Es hatte wenig Sinn, Geheimhaltung anzustreben. Nachrichten wurden durch Tauben langsam und durch Kuriere noch weitaus langsamer verbreitet, und doch zweifelte Rand nicht daran, dass er beobachtet wurde – von der Weißen Burg, von den Verlorenen, von jedermann, der dort Gewinne oder Verluste vermutete, wohin der Wiedergeborene Drache zog, und es sich leisten konnte, einen Soldaten zu bestechen. Vielleicht sogar auch von den Seanchanern. Wenn er sie auskundschaften konnte – warum sollte es ihnen dann nicht in gleicher Weise gelingen? Aber nicht einmal die Asha’man wussten, warum er weiterzog.
Während Rand müßig zusah, wie Männer sein Zelt auf einen hochrädrigen Karren luden, erschien Weiramon auf einem seiner vielen Pferde, ein stolzer weißer Wallach edelster tairenischer Zucht. Der Regen hatte nachgelassen, obwohl noch immer graue Wolken die Mittagssonne verschleierten und die Luft feucht war. Das Drachenbanner und das Banner des Lichts hingen schlaff und nass an ihren hohen Masten.
Tairenische Verteidiger hatten die Gefährten inzwischen ersetzt, und als Weiramon durch den Kreis der Wächter ritt, betrachtete er mit finsterer Miene Rodrivar Tihera, einen hageren Burschen, der selbst für einen Tairener dunkelhäutig war und einen spitz gestutzten Bart trug. Als völlig unbedeutender Adliger, der sich durch seine Verdienste hocharbeiten musste, nahm es Tihera besonders genau. Die breiten weißen Federn auf seinem Helm machten seine sorgfältige Verbeugung vor Weiramon überaus eindrucksvoll, woraufhin der Hochlord noch finsterer dreinblickte als zuvor.
Der Befehlshaber des Steins musste die Verantwortung für Rands Leibwache nicht persönlich übernehmen, aber des Öfteren tat er es dennoch, ebenso wie Marcolin häufig die Gefährten selbst befehligte. Eine oft verbitterte Rivalität war zwischen den Verteidigern und den Gefährten über die Frage entstanden, wer Rand beschützen sollte. Die Tairener beanspruchten dieses Vorrecht, weil er länger in Tear regiert hatte, und die Illianer beanspruchten es, weil er immerhin König von Illian war. Vielleicht hatte Weiramon von der Forderung der Verteidiger gehört, Tear müsse einen eigenen König bekommen – und wer wäre dafür besser geeignet als der Mann, der den Stein eingenommen hatte? Weiramon stimmte durchaus zu, dass Tear einen eigenen König haben sollte, aber er war nicht mit der Wahl desjenigen einverstanden, der die Krone tragen sollte, und er war nicht der Einzige, der so dachte.
Der Mann glättete seine Züge, sobald er Rands Blick bemerkte, und schwang sich aus seinem goldverzierten Sattel, um eine Tiheras weit überlegene Verbeugung zu vollführen, obwohl er unmerklich das Gesicht verzog, als er seinen polierten Stiefel in den Schlamm setzen musste. Er trug einen Regenumhang, der die Feuchtigkeit von seiner edlen Kleidung abhielt, aber selbst dieser war mit Goldfäden bestickt und wies einen Kragen aus Saphiren auf. Trotz Rands Umhang aus dunkelgrüner Seide, dessen Saum goldene Bienen zierten, wäre es jedermann zu verzeihen gewesen, wenn er vermutet hätte, Weiramon und nicht Rand müsse die Schwerterkrone tragen.
»Mein Lord Drache«, begann Weiramon. »Ich kann Euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, Euch von Tairenern beschützt zu sehen. Die Welt würde gewiss trauern, wenn Euch etwas zustieße.« Er war zu gescheit, um sich so weit vorzuwagen, die Gefährten als nicht vertrauenswürdig zu bezeichnen. Fast zu gescheit.
»Früher oder später wird es geschehen«, sagte Rand trocken. »Und ich weiß, wie sehr Ihr trauern würdet, Weiramon.«
Der Bursche bildete sich tatsächlich etwas darauf ein und strich sich über seinen spitzen, von Grau durchzogenen Bart. Er hörte, was er hören wollte. »Seid meiner
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