Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
sein, der sie festhielt. Sie war niemals zuvor von Saidin berührt worden. Sie fühlte ein dickes enges Band um ihre Taille und glaubte, den Makel des Dunklen Königs spüren zu können. Sie zitterte und musste sich bezwingen, nicht zu schreien.
Der große Mann verhielt sein Pferd vor ihr, und sie schwebte seitwärts vor ihn auf den Sattel. Er schien jedoch nicht besonders interessiert an der Aes Sedai, die er gefangen genommen hatte. »Hardlin!«, rief er. »Norley! Kajima! Einer von Euch verdammten jungen Tölpeln sofort hierher!«
Er war sehr groß und hatte Schultern von der Breite eines Axtgriffs – so hätte Herrin Doweel ihn beschrieben –, mittleren Alters und auf einfache Art gut aussehend. Überhaupt nicht wie die hübschen Burschen, die Toveine so mochte, eifrig und dankbar und so leicht um den Finger zu wickeln. Ein Silberschwert zierte den hohen Kragen seines schwarzen Tuchmantels auf einer Seite und ein merkwürdiges Wesen in goldenem und rotem Emaille auf der anderen. Er war ein Mann, der die Macht lenken konnte. Und er hatte sie abgeschirmt und gefangen genommen.
Der Schrei, der sich ihrer Kehle entrang, erschreckte sogar sie selbst. Sie hätte ihn zurückgehalten, wenn es ihr möglich gewesen wäre, aber dann drang ein weiterer, noch schrillerer Schrei hervor und noch einer und noch einer. Sie trat wild um sich und warf sich von einer Seite auf die andere. Es nützte gegen die Macht nichts. Sie wusste das, aber nur in einem kleinen Bereich ihres Seins. Ihr restliches Ich schrie aus vollem Halse, heulte wortlose Bitten um Rettung vor dem Schatten heraus. Sie kämpfte schreiend wie ein wahnsinniges Tier.
Sie war sich dumpf der Tatsache bewusst, dass sein Pferd scheute, als ihre Fersen gegen seine Schulter trommelten. Dann hörte sie den Mann dumpf sprechen. »Ruhig, du schwerfälliger Sack Kohle! Beruhigt Euch, Schwester. Ich werde nicht … Ruhig, du lahmes Maultier! Licht! Verzeiht, Schwester, aber so wird es uns beigebracht.« Und dann küsste er sie.
Sie hatte nur einen Herzschlag lang Zeit zu erkennen, dass seine Lippen die ihren berührten, dann schwand ihre Sicht, und Wärme durchflutete sie. Mehr als Wärme. Sie wurde innerlich zu geschmolzenem Honig, zu brodelndem Honig, der fast kochte. Sie war eine Harfensaite, die immer schneller, bis zur Unsichtbarkeit schnell vibrierte. Sie war eine dünne Kristallvase, die fast bis zum Bersten klang. Die Harfensaite riss, die Vase barst.
»Aaaaaaaaaaaaaaaaah!«
Zunächst erkannte sie nicht, dass dieser Laut aus ihrem weit geöffneten Mund drang. Sie konnte einen Moment nicht zusammenhängend denken. Sie starrte keuchend in das männliche Gesicht über ihr und fragte sich, wem es gehörte. Ja, der große Mann. Der Mann, der die Macht lenken konnte …
»Ich hätte es lieber ohne diesen kleinen Obolus geschafft«, seufzte er und tätschelte seinem Pferd den Hals. Das Tier schnaubte, scheute jedoch nicht mehr. »Aber es war vermutlich dennoch nötig. Seid ruhig. Versucht nicht zu entkommen, greift keine Männer in schwarzen Mänteln an, und berührt die Quelle nicht, wenn ich es Euch nicht erlaube. Nun, wie heißt Ihr?«
Wenn er es nicht erlaubte? Wie unverschämt der Mann war! »Toveine Gazal«, sagte sie und blinzelte. Warum hatte sie ihm geantwortet?
»Da seid Ihr ja«, sagte ein anderer Mann mit einem schwarzen Mantel und führte sein Pferd durch den Schnee zu ihnen. Dieser würde ihr viel besser gefallen – zumindest wenn er nicht auch die Macht lenken könnte. Sie bezweifelte, dass dieser Bursche mit den rosigen Wangen sich häufiger als zweimal in der Woche rasieren musste. »Licht, Logain!«, rief der hübsche Junge aus. »Habt Ihr eine zweite gebunden? Das wird dem M’Hael nicht gefallen! Es gefällt ihm schon nicht, wenn wir eine an uns binden! Aber vielleicht ist es auch nicht wichtig, da Ihr beide Euch so nahesteht.«
»Nahe, Vinchova?«, fragte Logain verzerrt. »Wenn es nach dem M’Hael ginge, würde ich mit den neuen Jungen Rüben hacken. Oder unter dem Feld begraben werden«, fügte er so leise hinzu, dass Toveine den Eindruck hatte, er wollte nicht, dass er gehört würde.
Wie viel er auch gehört haben mochte – der hübsche Junge lachte ungläubig. Toveine hörte ihn kaum. Sie schaute zu dem über ihr aufragenden Mann hoch. Logain. Der falsche Drache. Aber er war tot! Gedämpft und tot! Jetzt hielt er sie nachlässig vor sich im Sattel fest. Warum schrie sie nicht oder prügelte auf ihn ein? Selbst ihr Gürteldolch
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