Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
ein Pferd zu besorgen und zu fliehen, und zwar so schnell und so weit sie nur konnte.
Ihr wurde bewusst, dass sie stehen geblieben war und in das Schaufenster einer Schneiderin starrte, ohne überhaupt wahrzunehmen, was dort ausgestellt war. Nicht, dass sie es sehen wollte. Das blaue Gewand mit den Silberblitzen auf den roten Rechtecken war das einzige, das sie seit Jahren tragen wollte. Und sie würde mit Sicherheit nichts anziehen, das sie auf so unanständige Weise entblößte. Mit rauschenden Röcken ging sie weiter, aber sie konnte Renna und Seta nicht aus ihren Gedanken verbannen. Oder Suroth.
Offensichtlich hatte Alwhin die mit Kragen versehenen Sul’dam gefunden und sie Suroth gemeldet. Und Suroth hatte das Reich beschützt, indem sie Renna und Seta beschützte, so gefährlich das auch war. Was war, wenn sie plötzlich anfingen, die Macht zu lenken? Vielleicht wäre es für das Reich besser gewesen, wenn sie ihren Tod arrangiert hätte, obwohl es selbst für einen Angehörigen des Hohen Blutes Mord war, eine Sul’dam zu töten. Zwei verdächtige Todesfälle unter den Sul’dam hätte mit Sicherheit die Sucher der Wahrheit auf den Plan gerufen. Also blieben Renna und Seta frei, falls man es als Freiheit bezeichnen konnte, wenn ihnen nie wieder erlaubt wurde, sich zu verbinden. Alwhin hatte ihre Pflicht getan und war geehrt worden, indem sie zu Suroths Stimme wurde. Suroth hatte ebenfalls ihre Pflicht getan, egal, auf welch widerwärtige Weise auch immer. Es gab keine neue Prüfung. Ihre Flucht war völlig umsonst gewesen. Und wäre es geblieben, wäre sie nicht in Tanchico gelandet – ein Albtraum, den sie noch verzweifelter vergessen wollte als Falme.
Eine Abteilung der Totenwache marschierte vorbei, prächtig anzuschauen in ihrer Rüstung, und Bethamin blieb stehen, um ihnen zuzusehen. Sie hinterließen in der Menge eine Spur wie ein Schiff unter vollen Segeln sein Kielwasser. In Stadt und Land würde Begeisterung herrschen, wenn sich Tuon endlich enthüllte, und es würde Feste geben, als wäre sie gerade erst eingetroffen. Auf diese Weise an die Tochter der Neun Monde zu denken verursachte bei ihr einen leisen Schauder, so wie in ihrer Kindheit, wenn sie etwas Verbotenes getan hatte. Natürlich war Tuon, solange sie den Schleier trug, nur die Hochlady Tuon, die den gleichen Rang wie Suroth bekleidete. Die Männer der Totenwache trampelten vorbei, Herz und Seele Kaiserin und Reich gewidmet, und Bethamin ging in die entgegengesetzte Richtung. Was nur passend war, da sie Herz und Seele der Erhaltung ihrer persönlichen Freiheit gewidmet hatte.
Die Goldenen Schwäne des Himmels war ein pompöser Name für ein winziges Gasthaus, das man zwischen einen Mietstall und einem Lackarbeitenladen gequetscht hatte. Der Lackarbeitenladen war voller Offiziere, die ihn leer kauften, der Stall war voller Pferde, die durch die Lotterie gekauft und noch nicht zugeteilt worden waren und Die Goldenen Schwäne war voller Sul’dam . Tatsächlich war es bis unters Dach mit ihnen gefüllt, zumindest nach Anbruch der Nacht. Bethamin hatte Glück, nur zwei Bettgefährtinnen zu haben. Die Wirtin hatte den Befehl erhalten, so viele aufzunehmen, wie sie nur konnte, und packte vier oder fünf in ein Bett, wenn sie glaubte, sie würden hineinpassen. Doch das Bettzeug war sauber und das Essen gut, wenn auch seltsam. Und da die Alternative höchstwahrscheinlich aus einer Scheune bestanden hätte, teilte sie gern.
Zu dieser Stunde waren die runden Tische im Schenkraum leer. Einige der hier wohnenden Sul’dam gingen ihren Pflichten nach und der Rest wollte einfach der Wirtin aus dem Weg gehen. Mit verschränkten Armen und finsterer Miene sah Darnella Shoran mehreren Schenkmägden dabei zu, wie sie emsig den Boden wischten. Sie war eine dürre Frau mit grauem, im Nacken zu einem Knoten gebundenem Haar und einem langen Kinn, das ihr einen kriegerischen Ausdruck verlieh; trotz des lächerlichen Dolches, den sie trug und dessen Griff mit billigen roten und weißen Edelsteinen übersät war, hätte sie eine Der’sul’dam sein können. Angeblich waren die Schenkmägde freie Bürgerinnen, aber wenn die Wirtin sprach, sprangen sie wie Sklavinnen.
Bethamin zuckte leicht zusammen, als die Frau zu ihr herumfuhr. »Ihr kennt meine Regeln, was Männer angeht, Frau Zeami?«, verlangte sie zu wissen. Selbst nach all dieser Zeit erschien die langsame Weise, wie diese Leute redeten, seltsam. »Ich habe von Euren fremdländischen Sitten gehört,
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