Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
Oberfläche machten, wenn unter ihnen ein Löwenfisch vorbeischwamm.
Cadsuane seufzte, ihre Geduld war nun sichtlich erschöpft. »Falls Ihr über den Wiedergeborenen Drachen diskutieren wollt, Eadwina, dann müsst Ihr das ohne mich tun. Ich will mir das Gesicht waschen und einen Schluck heißen Tee trinken.«
Die Erste Ratsherrin zuckte zusammen, als hätte sie Cadsuanes Anwesenheit völlig vergessen, so unmöglich das auch erschien. »Ja. Ja, natürlich. Cumere, Narvais, würdet Ihr bitte die Herrin der Wogen und Cadsuane Sedai in meinen … Palast begleiten und es ihnen dort bequem machen?« Die kleine Pause war das einzige Zeichen des Unbehagens, das sie sich bei dem Gedanken, Cadsuane in ihrem Haus zu haben, anmerken ließ. »Ich möchte mich noch mit Eadwina Sedai unterhalten, falls ihr das nichts ausmacht.« Von den meisten Ratsherrinnen gefolgt, rauschte Aleis die Galerie entlang. Verin sah plötzlich alarmiert und unsicher aus, als sie sie bei den Armen nahmen und sie förmlich mit sich schleiften. Shalon glaubte die Überraschung oder das Unbehagen genauso wenig wie die zuvor zur Schau gestellte Unschuld. Sie glaubte jetzt zu wissen, wo Jahar war. Sie wusste nur nicht, warum.
Die Frauen, die Aleis angesprochen hatte – die hübsche, die Cadsuane mit dem Stirnrunzeln bedacht hatte, und eine schlanke grauhaarige Frau –, fassten die Bitte der Ersten Ratsherrin als Befehl auf, was es vermutlich auch gewesen war. Sie breiteten die Roben aus, machten eine halbe Verbeugung und fragten Harine, ob sie die Güte hätte, sie zu begleiten, und verkündeten in blumigen Redewendungen ihre Freude, sie begleiten zu dürfen. Harine hörte mit mürrischem Gesicht zu. Sie hätten vor ihr Rosenblätter ausstreuen können, aber die Erste Ratsherrin hatte sie ihren Untergebenen überlassen. Shalon fragte sich, ob es wohl eine Möglichkeit gab, ihrer Schwester aus dem Weg zu gehen, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
Cadsuane sah nicht zu, wie Verin mit Aleis ging, zumindest nicht offen, aber ihr Mund verzog sich zu einem flüchtigen Lächeln, als sie im nächsten Torbogen der Galerie verschwanden. »Cumere und Narvais«, sagte sie unvermittelt. »Ihr seid doch bestimmt Cumere Powys und Narvais Maslin? Ich habe von Euch gehört.« Das riss ihre Aufmerksamkeit von Harine. »Es gibt Maßstäbe, die jede Ratsherrin erfüllen sollte«, fuhr Cadsuane in strengem Tonfall fort, nahm jede von ihnen am Ärmel und drehte sie rechts und links von sich zur Treppe. Die beiden tauschten besorgte Blicke und ließen sie gewähren; Harine hatten sie anscheinend völlig vergessen. An dem Durchgang blieb Cadsuane noch einmal stehen, um zurückzusehen, aber weder zu Harine noch zu Shalon. »Kumira? Kumira!«
Die Aes Sedai zuckte zusammen und riss sich mit einem letzten, sehnsuchtsvollen Blick über das Geländer los, um Cadsuane zu folgen. Was Harine und Shalon keine andere Wahl ließ, als sich ihr ebenfalls anzuschließen, wollten sie nicht zurückgelassen werden und selbst den Weg finden. Shalon schoss hinter den anderen her und Harine war nicht weniger schnell. Cadsuane hielt die Ratsherrinnen fest, führte den Weg die Wendeltreppe hinunter an und sprach leise auf sie ein. Da sich Kumira zwischen ihr und den dreien befand, konnte Shalon kein Wort verstehen. Cumere und Narvais versuchten zu sprechen, aber Cadsuane gestattete keiner von ihnen mehr als ein paar Worte, bevor sie erneut loslegte. Sie schien ganz ruhig und nüchtern zu sein. Ihre Begleiterinnen machten langsam einen nervösen Eindruck. Was, beim Licht, hatte Cadsuane nur vor?
»Macht Euch dieser Ort zu schaffen?«, fragte Harine plötzlich.
»Es ist, als hätte ich meine Augen verloren.« Die Wahrheit dieser Worte ließ Shalon erbeben. »Ich fürchte mich, Herrin der Wogen, aber solange es das Licht will, kann ich meine Furcht kontrollieren.« Licht, sie hoffte es zumindest. Sie musste es schaffen.
Harine nickte und warf den vor ihr gehenden Frauen stirnrunzelnd einen Blick zu. »Ich weiß nicht, ob es in Aleis’ Palast eine Badewanne gibt, die groß genug für uns ist, dass wir zusammen baden können, und ich bezweifle, dass sie mit Honig gesüßten Wein haben, aber wir werden schon etwas für uns finden.« Sie wandte den Blick von Cadsuane und den anderen und berührte unbeholfen Shalons Arm. »Als Kind habe ich mich vor der Dunkelheit gefürchtet, und du hast mich nie allein gelassen, bis die Angst weg war. Ich werde dich auch nicht allein lassen, Shalon.«
Shalon
Weitere Kostenlose Bücher