Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
unterhalten, zu unserem gegenseitigen Nutzen, wenn es dem Licht gefällt.« Die anderen Frauen hoben die Röcke und machten einen kleine Verbeugung.
Harine neigte leicht den Kopf; in ihrem Lächeln lag eine Spur von Zufriedenheit. Hier war endlich jemand, der ihr den nötigen Respekt erwies. Außerdem war es bestimmt hilfreich, dass sie nicht ihren und Shalons Schmuck anstarrten.
»Anscheinend sind die Boten vom Tor so schnell wie eh und je, Aleis«, sagte Cadsuane. »Und für mich gibt es kein Willkommen?« Aleis’ Lächeln flackerte einen Augenblick lang, und bei einigen der anderen verschwand es sogar völlig, als sich Cadsuane neben Harine stellte. Die freundlichen Mienen, die aufrechterhalten wurden, sahen gezwungen aus. Eine hübsche Frau mit ernster Miene ging sogar so weit, dass sie die Stirn runzelte.
»Wir sind Euch dankbar, dass Ihr die Herrin der Wogen hergebracht habt, Cadsuane Sedai.« Aber die Erste Ratsherrin klang nicht gerade dankbar. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und sah starr geradeaus, und zwar über Cadsuanes Kopf hinaus statt in ihr Gesicht. »Ich bin sicher, wir finden eine Möglichkeit, Euch vor Eurer Abreise das Ausmaß unserer Dankbarkeit wissen zu lassen.«
Sie hätte ihre abweisende Haltung nicht deutlicher zum Ausdruck bringen können, aber die Aes Sedai lächelte die größere Frau an. Es war nicht unbedingt ein höhnisches Lächeln, aber es war auch nicht im Mindesten amüsiert. »Es kann durchaus sein, dass meine Abreise noch in weiter Ferne liegt, Aleis. Ich danke Euch für das Angebot einer Unterkunft und nehme an. Ein Palast auf den Hügeln ist selbst dem besten Gasthaus vorzuziehen.« Die Augen der Ersten Ratsherrin weiteten sich erstaunt, dann kniff sie sie entschlossen zusammen.
»Cadsuane muss bei mir bleiben«, verkündete Harine, bevor Aleis etwas sagen konnte, und es gelang ihr tatsächlich, die Worte nicht ganz erstickt klingen zu lassen. »Wo sie nicht willkommen ist, bin ich es ebenso wenig.« Das war ein Teil der Abmachung gewesen, die man ihr aufgezwungen hatte, falls sie Cadsuane begleiten wollten. Bis sie sich mit dem Coramoor vereinigten, mussten sie dorthin gehen, wohin sie es befahl, und sie in jede Einladung mit einschließen, die sie erhielten. Letzteres war als keine große Sache erschienen, vor allem, wenn man es mit dem Rest verglich, aber offensichtlich hatte die Frau genau gewusst, wie man sie hier empfangen würde.
»Das muss Euch nicht entmutigen, Aleis.« Cadsuane beugte sich vertraulich zu der Ersten Ratsherrin vor, aber sie senkte ihre Stimme nicht. Das Echo der Kuppel verstärkte ihre Worte. »Ich bin sicher, Ihr habt keine schlechten Angewohnheiten mehr, die ich korrigieren müsste.«
Das Gesicht der Ersten Ratsherrin wurde blutrot und hinter ihrem Rücken tauschten die anderen Ratsherrinnen fragende Blicke aus. Einige betrachteten sie wie aus einem neuen Blickwinkel. Wie erlangten sie ihre Stellung und wie verloren sie sie? Es waren zwölf, Aleis nicht mitgezählt, aber die Ersten Zwölf unter den Segelherrinnen wählten die Herrin der Wogen, und die Ersten Zwölf unter den Herrinnen der Wogen wählten die Herrin der Schiffe. Darum hatte Harine die Worte des seltsamen Mädchens geglaubt; sie gehörte den Ersten Zwölf an. Darum und weil die beiden Aes Sedai behauptet hatten, dass die Visionen des Mädchens der Wahrheit entsprachen. Eine Herrin der Wogen und selbst die Herrin der Schiffe konnte abgesetzt werden, wenn auch nur aus genau bestimmten Gründen, so wie erwiesener Unfähigkeit oder wenn sie den Verstand verlor, und die Ersten Zwölf mussten zu einem einstimmigen Ergebnis kommen. Unter den Küstengebundenen schienen die Dinge anders geregelt zu werden, und oftmals schlampig. Aleis’ Augen, nun fest auf Cadsuane gerichtet, waren sowohl voller Hass als auch gehetzt. Vielleicht konnte sie die zwölf Blicke in ihrem Rücken spüren. Die anderen Ratsherrinnen stellten sie auf den Prüfstand. Aber falls sich Cadsuane dazu entschieden hatte, sich in die politischen Affären dieses Ortes einzumischen, lautete die Frage, warum sie es getan hatte. Und warum so plump?
»Ein Mann hat gerade die Macht benutzt«, sagte Verin plötzlich. Sie hatte sich nicht zu den anderen gesellt und schaute zehn Schritte entfernt über das Geländer. Die Kuppel ließ ihre Stimme weit tragen. »Habt Ihr in letzter Zeit viele Männer die Macht lenken lassen, Erste Ratsherrin?«
Shalon schaute in die Tiefe und blinzelte. Die eben noch
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