Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
Schultern, doch jeder hätte ohne Weiteres die Kleidung des anderen tragen können. Fens glattes schwarzes Haar reichte fast bis zu den Schultern, das Haar des blauäugigen Blaeric war kurz geschnitten und hatte fast dieselbe Farbe. Blaeric war Shienarer, und er hatte den Haarknoten abrasiert und ließ den Rest wachsen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, aber es gefiel ihm nicht. Fen, ein Saldaeaner, schien gar nichts zu gefallen mit Ausnahme von Joline. Beide mochten Joline, und zwar sehr. Beide sprachen ähnlich, dachten ähnlich und bewegten sich ähnlich. Sie trugen zerschlissene Hemden und die einfachen Westen von Tagelöhnern, die bis über ihre Hüften reichten, aber jeder, der sie selbst in diesem schlechten Licht für Arbeiter gehalten hätte, hätte blind sein müssen. Am Tag, wenn sie in den Ställen arbeiteten, wo Frau Anan sie untergebracht hatte … Licht! Sie schauten Mat an wie Löwen eine Ziege, die vor ihnen die Zähne gefletscht hatte. Er drehte sich so, dass er die Behüter nicht einmal aus dem Augenwinkel sehen musste. Mit den beiden im Rücken stellten die an verschiedenen Stellen seines Körpers versteckten Messer nur einen kleinen Trost dar.
»Wenn Ihr nicht auf ihn hören wollt, Joline Maza, dann werdet Ihr mir zuhören.« Setalle stemmte beide Hände in die Hüften und beugte sich der schlanken Aes Sedai entgegen. »Ich will Euch wieder in der Weißen Burg sehen, auch wenn das bedeutet, dass ich Euch jeden Schritt dorthin stoßen muss! Vielleicht werdet Ihr mir unterwegs zeigen, dass Ihr wisst, was es bedeutet, eine Aes Sedai zu sein. Ich würde mich damit zufriedengeben, einen Blick auf eine erwachsene Frau zu erhaschen. Bis jetzt habe ich bloß eine Novizin gesehen, die in ihr Kissen weint und Wutanfälle kriegt!«
Joline starrte sie an, die großen braunen Augen so weit aufgerissen, wie es nur ging, als könnte sie nicht glauben, was sie da hörte. Mat war sich nicht sicher, ob er es glaubte. Wirtinnen sagten einer Aes Sedai nicht die Meinung. Fen grunzte und Blaeric murmelte etwas, das sich nicht nett anhörte.
»Ihr braucht doch nicht weiter als außer Sichtweite der Torwächter zu gehen«, sagte Mat hastig zu Setalle in der Hoffnung, einen möglichen Wutausbruch Jolines zu verhindern. »Haltet die Kapuze Eures Umhangs hochgeschlagen …« Licht, er musste ihr einen dieser schicken Umhänge besorgen! Nun, wenn Juilin einen A’dam stehlen konnte, dann konnte er auch einen verdammten Umhang klauen. »Die Wächter werden nur eine weitere Sul’dam sehen. Ihr könnt vor Tagesanbruch wieder hier sein, ohne dass es eine Menschenseele erfahren haben muss. Es sei denn, Ihr besteht darauf, Euren Hochzeitsdolch zu tragen.« Er lachte über seinen Witz, aber sie fiel nicht in sein Lachen ein.
»Glaubt Ihr, ich könnte an einem Ort bleiben, an dem Frauen zu Tieren gemacht werden, weil sie die Macht lenken können?«, wollte sie wissen und stapfte über den Boden, bis sie beinahe Zeh an Zeh mit ihm stand. »Glaubt Ihr, ich würde meine Familie zurücklassen?« Während sie Joline angestarrt hatte, schien sie ihn nun mit ihrem wilden Blick zu verschlingen. Ehrlich gesagt hatte er nie über diese Frage nachgedacht. Sicherlich würde er die Damane gern frei sehen, aber warum sollte ihr das so viel bedeuten? Doch offensichtlich tat es das; sie griff nach dem langen Krummdolch, der hinten in ihrem Gürtel steckte, und streichelte ihn. Ebou Dari nahmen Beleidigungen nie gut auf und in dieser Hinsicht war sie eine reine Ebou Dari. »Zwei Tage nach der Ankunft der Seanchaner habe ich begonnen, den Verkauf der Wanderin in die Wege zu leiten, als ich sehen konnte, was sie sind. Ich hätte schon vor Tagen alles an Lydel Elonid übergeben sollen, aber ich habe es hinausgezögert, weil Lydel nicht damit rechnen würde, eine Aes Sedai im Keller zu finden. Wenn Ihr zum Aufbruch bereit seid, kann ich ihm die Schlüssel übergeben und mit Euch gehen. Lydel wird ungeduldig«, fügte sie mit einem bedeutsamen, auf Joline gerichteten Blick über die Schulter hinzu.
Und was ist mit meinem Gold? wollte er empört fragen. Hätte Lydel ihn das mitnehmen lassen, den unerwarteten Reichtum unter ihrem Küchenboden? Doch es war etwas anderes, das ihm den Atem verschlug. Plötzlich sah er sich Frau Anans ganze Familie aufgebürdet, einschließlich der verheirateten Söhne und Töchter mit ihren Kindern und vielleicht auch noch ein paar Tanten und Onkel und Nichten und Neffen. Dutzende. Sie mochte ja von außerhalb
Weitere Kostenlose Bücher