Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
energisch fort, »ich werde mich nicht durch die Angst vor Elaida beirren lassen.« Was konnten die Schwestern im Silbernen Schwan bloß hier wollen?
Sareitha schnaubte, und zwar nicht gerade leise; sie schien die Augen verdrehen zu wollen, ließ es dann aber doch sein. Gelegentlich schnappte Elayne von den anderen Schwestern im Palast seltsame Blicke auf. Zweifellos dachten sie daran, wie sie aufgewachsen war, doch allem äußeren Anschein nach akzeptierten sie sie als Aes Sedai und erkannten an, dass sie – abgesehen von Nynaeve – einen höheren Rang als sie einnahm. Das hielt sie aber keineswegs davon ab, ihre Meinung deutlich zum Ausdruck zu bringen, und zwar oft viel nachdrücklicher, als sie es bei einer Schwester getan hätten, welche die Stola auf herkömmliche Weise erhalten hatte. »Dann vergesst Elaida und erinnert Euch, wer Euch sonst noch gern in seiner Gewalt hätte«, sagte Sareitha. »Ein wohlgezielter Steinwurf, und Ihr seid ein bewusstloses Bündel, das man in der entstehenden Verwirrung leicht davontragen könnte.«
Musste Sareitha ihr sagen, dass Wasser nass war? Schließlich war es beinahe ein Brauchtum, andere Thronbewerber zu entführen. Jedes Haus, das gegen sie war, hatte in Caemlyn Anhänger, die nur auf eine Gelegenheit warteten – oder sie hätte ihre Schuhe zu Mittag gegessen. Nicht dass sie Erfolg haben würden, nicht solange sie die Macht lenken konnte, aber sie würden einen Versuch unternehmen, wenn sich die Gelegenheit bot. Sie war nie der Meinung gewesen, dass die Ankunft in Caemlyn mit Sicherheit gleichzusetzen war.
»Sareitha, wenn ich mich nicht aus dem Palast herauswage, werde ich das Volk niemals auf meine Seite ziehen«, sagte sie leise. »Man muss mich sehen, ich muss mich frei bewegen, ohne jede Angst.« Darum begleiteten sie auch nur acht Gardistinnen statt der fünfzig, die Birgitte verlangt hatte. Die Frau weigerte sich, die Realitäten des politischen Geschäfts zu begreifen. »Außerdem, da Ihr hier seid, brauchten sie zwei wohlgezielte Steine.«
Sareitha schnaubte bloß erneut, aber Elayne tat ihr Bestes, den Starrsinn der anderen Frau zu ignorieren. Sie wünschte sich, sie könnte auch ihre Anwesenheit ignorieren, aber das war unmöglich. Es gab noch mehr Gründe für diesen Ausritt, als nur gesehen zu werden. Halwin Norry trug ihr mit monotoner Stimme, die sie beinahe einschlafen ließ, endlose Fakten und Zahlen vor, aber sie wollte sich alles mit eigenen Augen ansehen. Norry konnte die Schilderung eines Aufruhrs so leblos wie einen Bericht über den Zustand der städtischen Zisternen oder die Kosten für die Reinigung der Abwasserkanäle klingen lassen.
In der Menge wimmelte es von Ausländern, Kandori mit Gabelbärten und Illianer mit Bärten, die ihre Oberlippen frei ließen, und Arafeler mit Silberglöckchen in ihren Zöpfen; Domani mit kupferner und Altaraner mit olivfarbener Hautfarbe; Cairhiener, die durch ihre gedrungene Statur und die helle Haut hervorstachen. Einige waren Kaufleute, die vom plötzlichen Wintereinbruch überrascht worden waren oder hofften, ihrer Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein, glattgesichtige, aufgeblasene Leute, die genau wussten, dass der Handel das Lebensblut der Nationen war, und von denen jeder behauptete, eine der wichtigsten Arterien zu sein, selbst wenn ein schlecht gefärbter Mantel oder eine Brosche aus Messing und Glas sie verriet. Viele der Passanten trugen abgewetzte Mäntel, an den Knien ausgefranste Hosen, Gewänder mit kaputten Säumen und fadenscheinige Umhänge oder auch gar keine. Das waren Flüchtlinge, die entweder vom Krieg aus ihren Häusern vertrieben worden waren oder von dem Glauben, dass der Wiedergeborene Drache sämtliche ihrer traditionellen Bande zerrissen hatte, zur Wanderschaft getrieben worden waren. Sie krümmten sich vor Kälte, ihre Gesichter waren abgehärmt und besiegt, und sie ließen sich von dem Strom der anderen um sie herum einfach mittreiben.
Eine Frau mit stumpfem Blick und einem kleinen Kind auf der Schulter, das sie fest gepackt hielt, stolperte durch die Menge. Elayne sah ihr zu, nestelte dann eine Münze aus ihrem Geldbeutel und gab sie einer Gardistin, einer Frau mit rosigen Wangen und kaltem Blick. Tzigan behauptete, aus Ghealdan zu kommen und die Tochter eines unbedeutenden Adligen zu sein; nun, das mit Ghealdan stimmte vermutlich sogar. Als sie sich nach vorn beugte, um die Münze weiterzugeben, stolperte die Frau mit ihrem Kind einfach weiter, ohne sie überhaupt
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