Das Rätsel deiner Leidenschaft
wandte Sabine ein. »Das war nicht mehr das Kommunikationsmittel in jener Zeit.«
»Im Gegenteil. Offizielle Bekanntmachungen wurden immer noch auf Steintafeln herausgegeben.«
Sie gingen durch einen stillen Korridor, und Sabine beeilte sich, mit Max Schritt zu halten, um neben ihm zu gehen. »Na ja, wahrscheinlich bin ich mehr mit der Geschichte meines eigenen Volks vertraut. War unsere Zivilisation wirklich so viel fortschrittlicher als die der Mazedonier, dass wir schon Pergament hatten, während der Rest der Welt noch Steintafeln benutzte?«
»Vielleicht würden wir heute noch auf Steintafeln herumkratzen, wenn die Atlantiden nicht gekommen wären, um uns arme Engländer zu zivilisieren«, scherzte Max.
»Ha, ha. Du bist wirklich sehr witzig, Max.«
»Danke schön.«
Sie kamen am Leseraum und einigen Ausstellungssälen vorbei, bevor sie die Bibliothek erreichten. Sie war nur von sehr wenigen Lampen erhellt und wirkte düster. Die unter der Decke liegenden Fenster zogen sich um den oberen Teil des Raumes wie ein Band aus Licht, aber da der Himmel heute bewölkt war, trugen auch sie nicht unbedingt dazu bei, den Raum heller zu machen.
Abgesehen davon war die Bibliothek fantastisch. Bücher, Pergamente und andere Artefakte, wie die Magna Charta König Johns und die Rosettentafel umgaben sie. Und vielleicht befand sich hier zwischen Großbritanniens wertvollsten Schätzen auch ein Stück der Geschichte ihres eigenen Volkes. Sabine wurde ganz warm ums Herz vor Stolz. Falls sie diese Prophezeiung überlebte, musste sie eines Tages noch einmal hierherkommen, um sich all diese wundervollen Artefakte anzusehen.
Sie blieb stehen und blickte sich nach dem Rosettenstein um. »Nur um sicherzugehen«, sagte sie, als sie zu ihm hinüberging.
»Wusstest du, dass er sogar noch ein wenig jünger ist als Alexanders letzter Erlass?«, fragte Max.
»Du bist eine wahre Informationsquelle.«
»Ein Mitglied von Solomon's hat ihn gefunden«, sagte er.
Sabine ging um den Schaukasten herum und hielt nach irgendeinem Anzeichen der Taube Ausschau. »Ich dachte, ein Franzose hätte ihn entdeckt.«
Max zuckte die Schultern. »Das behauptete er. Aber in wessen Museum ist er?«
Auf dem Stein waren keine Symbole, die ihrer Taube ähnelten. »Nichts. Also weiter, ja?«
Sie gingen in einen kleineren Raum, und dort, auf einem Podest, befand sich eine große Steintafel.
»So manch einer vertritt die Theorie, dass Alexander der Große sich auf eine Stufe mit Gott stellen wollte und deshalb auch das gleiche Medium wählte, um seine eigenen Gebote zu verkünden«, sagte Max mit gedämpfter Stimme.
Als sie näher traten, konnte Sabine die in den Granit gemeißelte griechische Inschrift sehen. Sie las den Erlass, in dem tatsächlich von einem Krieg die Rede war. Die Inschrift las sich wie ein wortreicher Schlachtruf, mit dem Alexander gleichzeitig das Versprechen gab, Herrscher über die ganze Welt zu sein.
»Hier steht aber nichts von einer Taube oder einer ganz bestimmten Waffe«, sagte Sabine.
»Nein, das nicht. Aber ...« Max warf einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass sie allein waren, bevor er die schwere Tafel aufhob und sie umdrehte. Der Stein war an einigen Stellen angeschlagen und nicht ganz glatt, aber auf dem größten Teil seiner Oberfläche waren weder bedeutsame Symbole noch Markierungen zu sehen. »Da«, sagte Max und zeigte auf eine Stelle.
An der rechten Ecke befand sich eine weitere Inschrift, direkt unter einer ihnen schon vertrauten Abbildung des Vogels. Auch die Schriftzeichen kamen ihnen bekannt vor, aber sie hatten etwas Sonderbares. Und ohne gutes Licht waren sie kaum zu entziffern. Sabine griff in ihre Tasche und nahm ihr Notizbuch und einen Stift heraus. Mit einem Ruck löste sie ein paar leere Seiten daraus und gab sie Max.
Er nickte ihr anerkennend zu und legte eins der Blätter über die Schriftzeichen. Als er den Stift darüberbewegte, sah Sabine das Geschriebene auf dem Papier erscheinen.
Ein gelehrt aussehender Herr mit Brille betrat den Raum und musterte sie missbilligend. Als er sich räusperte, ließ Sabine verführerisch ihre Hand über Max' Rücken gleiten und beugte sich zu ihm vor, um ihm etwas zuzuflüstern.
Max hörte auf, die Inschrift zu kopieren.
Sabine zwinkerte dem älteren Herrn schamlos zu.
Die Augen des Gelehrten wurden groß und rund, eine dunkle Röte stieg von seinem Nacken in seine Wangen, und prompt wandte er sich ab und ging.
»Entschuldige«, sagte Sabine zu
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