Das Rätsel deiner Leidenschaft
»Selbstverständlich.«
Er trat einen Schritt näher. Der Geruch von Schweiß stieg Sabine in die Nase, aber sie wich nicht zurück. Es waren noch andere Kunden da, und sie durfte nicht zu abweisend erscheinen. Sie waren darauf angewiesen, dass die Leute ihre Produkte kauften und benutzten, bis der Auserwählte gefasst war.
»Sie wirkt«, sagte er.
»Verzeihung?«, fragte Sabine.
»Die Creme. Sie wirkt. Sie lässt Frauen jünger, frischer und hübscher aussehen.« Seine wässrigen braunen Augen glitten über ihr Gesicht. »Wie ich sehe, benutzen Sie sie auch.« Er hob einen Finger, als wollte er sie berühren, ließ die Hand zum Glück aber gleich wieder sinken. »Kein Fältchen ist auf Ihrer makellosen Haut zu sehen.«
Sie unterdrückte ein Erschaudern. »Ich benutze sie nicht«, sagte sie kühl. »Sir, ich glaube, da sind noch andere Kunden, die ich bedienen muss. Wenn Sie mich also entschuldigen würden ...«
Er nickte, doch bevor sie gehen konnte, griff seine knochige Hand mit erstaunlicher Kraft nach ihrem Ellbogen. »Ich gebe Ihnen jede Summe, die Sie verlangen«, sagte er mit vor Nervosität zitternder Stimme. »Jede Summe, wenn Sie mir dieses Rezept verkaufen.«
Sabine versuchte sich loszureißen, aber er hielt sie fest. »Ich werde nichts dergleichen tun«, sagte sie und bemühte sich, ruhig zu bleiben und ihre Stimme nicht zu erheben.
»Ich habe es versucht«, flüsterte er mit rauer Stimme. »Ich habe mehrere Tiegel dieser Creme analysiert«, er zeigte auf die in seiner anderen Hand, »und kann immer noch nicht all ihre Ingredienzen bestimmen. Da ist etwas, was ich einfach nicht identifizieren kann, und ich muss wissen, was es ist.«
»Ich fürchte, damit werden Sie sich abfinden müssen, da ich Ihnen die Liste unserer Zutaten ganz bestimmt nicht zeigen werde. Guten Tag.« Sabine riss sich von ihm los und ging zur anderen Seite des Ladens zu einer Gruppe Damen, die sich die Haarspülungen ansahen.
Der Mann trieb sich noch ein wenig länger im Geschäft herum, sah sich die Produkte an und warf ab und zu einen Blick in Sabines Richtung. Sie sorgte jedoch dafür, dass sie immer bei einer Kundin war, damit er sich ihr nicht mehr nähern konnte. Irgendwann verließ er den Laden, blieb aber noch eine Weile vor dem Schaufenster stehen, bevor er endgültig ging.
Sabine fragte sich kurz, ob sie Max von dem Mann erzählen sollte, obwohl er harmlos zu sein schien. Vermutlich war er nur ein Konkurrent, der seine eigenen Produkte zu verbessern suchte. Aber Max hatte ihr geraten, auf alles Ungewöhnliche zu achten, und dieser Chemiker war auf jeden Fall sehr merkwürdig gewesen.
Sie betrachtete die Karte in ihrer Hand – Mr Bertrand Olney. Als sie aufblickte, stand ebendieser Mr Olney auf der anderen Straßenseite und beobachtete sie.
Dieses E-Book wurde von der "Osiandersche Buchhandlung GmbH" generiert. ©2012
Kapitel zwölf
A m Nachmittag desselben Tages saßen Sabine und Max in einer Kutsche auf dem Weg nach Dorset, um dort nach der »Taube« zu suchen, von der sie vermuteten, dass es sich um eine Art geheimer Waffe handelte. Sie hatten sich für eine Kutsche entschieden, weil die Reise kürzer war und sie flexibler sein wollten, falls sie einen weiteren Hinweis fanden, der sie vielleicht noch zu einem Ort führen könnte. Ganz abgesehen davon, dass das Reisen in einer Mietkutsche es ihnen leichter machte, anonym zu bleiben. Denn es war klar, dass jemand hinter ihnen her war.
Max hatte recht. Es war sinnvoller, die Taube zu suchen – das Ding, das den Auserwählten angeblich vernichten würde, statt weiterhin zu versuchen, die Identität des Auserwählten aufzudecken.
Sie hatten keinerlei Hinweis darauf, wer er war. Und Scotland Yard hatte auch kein Glück gehabt. Max hatte eine Nachricht von Justin erhalten, dass sie einer Spur zu einem unzufriedenen früheren Offizier nachgegangen waren, dieser Mann aber war soeben erst von einer Reise auf den Kontinent zurückgekehrt und hatte sich zur Zeit zweier Morde nicht in England aufgehalten.
Falls sie den Auserwählten fanden, ohne die »Taube« zu haben, würden sie ihn nicht aufhalten können. Was Sabine allerdings am meisten beunruhigte, war, dass sie bisher nicht einmal ein Gerücht über eine besondere Waffe oder irgendetwas anderes gehört hatten, was sich mit einer Taube in Verbindung bringen ließe. Die Atlantider hatten viele Jahre keinen Zugang zu der Prophezeiung gehabt, und dennoch schien es so zu sein, dass diese Art von Geheimnis von
Weitere Kostenlose Bücher