Das Rätsel deiner Leidenschaft
sie und tat den letzten Schritt. Die Kachel zerbrach nicht, aber der Kasten, in den sie die Steine geworfen hatte, begann zu rappeln.
Max hing hinüber. »Der Kasten hat sich geöffnet«, sagte er, während er hineingriff und etwas herauszog. »Hier ist ein Brief.«
»Was steht darin?«, fragte sie und blieb ganz ruhig stehen, weil sie noch immer Angst hatte, sich zu bewegen.
Max sah sie an. Seine Augen funkelten vor Erregung. »Es ist ein weiterer Hinweis.«
Gemeinsam machten sie sich an den Abstieg. Sabine ging jetzt schneller als vorher, weil sie es offensichtlich eilig hatte, in ihr Zimmer zu gelangen. Max fiel es nicht schwer, mit ihr Schritt zu halten, aber zweimal musste er ihren Ellbogen ergreifen, um sie zu stützen, als sie auf einem steinigen Teil des Abhangs stolperte. Schweigend betraten sie den kleinen Gasthof, und kaum hatten sie die Zimmertür geschlossen, griff Sabine schon nach seinem Arm. »Was steht noch mal in dem Brief?«
Max entfaltete das Pergament erneut und las: »› Am Jungfrauenfelsen badet die Taube, wo die Ahnen Frieden fanden. ‹«
Sabine setzte sich auf den Rand des Betts und zog nachdenklich die Stirn kraus. »Es ist ein Rätsel«, sagte sie.
»So sieht es aus.« Max betrachtete die handgeschriebene Notiz noch einmal. Sie war auf Papyrus geschrieben, aber jeder hätte sich das altertümliche Papier besorgen können. Daher stellte sich die Frage, wie alt diese Notiz sein mochte. Die Tinte war verblasst, aber noch lesbar, und die Nachricht war in Griechisch und nicht in der Sprache der Atlantiden geschrieben worden.
Max setzte sich zu Sabine aufs Bett, das unter ihrer beider Gewicht leise ächzte.
»Falls der Auserwählte eine wie auch immer gestaltete Kopie der Prophezeiung hat, was ich stark vermute, weiß er auch von der Taube«, gab Sabine zu bedenken. »Er wird bestimmt auch nach ihr suchen. Oder hat es früher schon getan.«
Max nickte. »Und welch besseren Weg gibt es, zu verhindern, dass sie in seine Hände gelangt, als sie hinter einer Reihe von Rätseln zu verstecken.«
»Aber das erste haben wir gelöst«, meinte Sabine.
»Nein, das hast du gelöst, Sabine. Ich hätte dieses Spiel nicht spielen können. Ich hätte ja nicht einmal gewusst, dass es eins war«, sagte Max.
»Und ich hätte beinahe versagt«, erwiderte sie mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war.
»Hast du aber nicht.«
»Lass mich noch einmal die Nachricht sehen«, bat sie.
Max gab sie ihr und rutschte auf dem Bett zurück, um sich auf einer Seite auszustrecken – sofern man bei einem so schmalen Bett überhaupt von Seiten sprechen konnte. Seine Füße hingen weit über das Ende des Bettes. Max verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
Sabine trug noch die Männerkleidung, die er ihr gegeben hatte, und er versuchte, nicht darauf zu achten, wie die Hosenträger ihre Brüste betonten oder dass ihre Hüften und ihr Po in dieser Hose noch runder aussahen. Ihr unter der Kappe verborgenes Haar erlaubte ihm einen guten Blick auf ihren zarten Nacken.
»Der Jungfrauenfels«, murmelte sie. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.« Sie drehte sich um, um ihm das Pergament zurückzugeben, und legte den Kopf ein wenig schief. »Und wo soll ich schlafen?«
Er deutete auf die winzige freie Stelle neben ihm. »Hier ist Platz genug.«
»Für Elfen vielleicht, aber nicht für erwachsene Menschen.«
»Nun ja, dann werden wir uns eben ein bisschen aneinanderkuscheln müssen«, sagte Max und wackelte mit seinen Augenbrauen.
Um ihre Mundwinkel zuckte es, aber sie lächelte nicht wirklich. »Du bist unverbesserlich.«
Eine lange Pause entstand, in der sie ihn argwöhnisch betrachtete. Dann schaute sie das Bett an und schien sich schließlich damit abzufinden, sich neben ihn zu legen. Er beschäftigte sich, indem er wieder und wieder das Rätsel las – oder vielmehr so tat, als läse er, während sie sich warm und verführerisch neben ihm ausstreckte.
Sowie sie aufhörte, sich zu bewegen, drehte er sich zu ihr, beugte sich über sie und stützte seine Arme zu beiden Seiten von ihr auf. Mit ihren bernsteinfarbenen Augen, die wie geschmolzenes Gold schimmerten, sah sie zu ihm hoch. Ihre Lippen teilten sich, wie um zu protestieren, aber sie sagte nichts.
Max beugte sich über sie, bis nur noch Millimeter ihre Münder trennten. Ihre Augen weiteten sich, dann wurden ihre Augenlider schwer und schlossen sich, als sie darauf wartete, dass er sie küsste. Doch er tat es nicht. Für den Moment
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