Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rätsel der dritten Meile

Das Rätsel der dritten Meile

Titel: Das Rätsel der dritten Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
Juli

Die auf Hochtouren laufenden Ermittlungen produzieren widersprüchliche Ergebnisse, was Morse allerdings nicht anficht.

    Mag es auch vielleicht dem Leser vorkommen, als ob der Chief Inspector sich bei den im letzten Kapitel beschriebenen Vorgängen nicht gerade mit Ruhm bekleckert habe — diesen selbst schien das kaum zu belasten. Nach einem späten Lunch im Pub kreuzte er gutgelaunt im Präsidium auf, den Kopf voller neuer Hypothesen, die er in Ruhe überdenken wollte.
    Dazu kam es jedoch nicht. Kaum hatte er das Büro betreten, klingelte das Telefon. Es war der Pathologe.
    «Ich informiere dich schon mal vorab über das Wichtigste. Die medizinischen Details lasse ich weg, die kannst du, wenn du willst, in meinem Bericht nachlesen; jetzt am Telefon würdest du sie doch nicht begreifen. Also, zu unserer Leiche: erwachsen, männlich, weiß, Alter etwa sechzig oder etwas darüber, Gewicht knapp über normal, kein Anzeichen irgendwelcher körperlichen Defekte, Gesundheitszustand gut, bis auf die Lunge, die ist etwas angegriffen; die Veränderungen sind jedoch nicht bösartiger Natur, also kein Tumor oder so etwas — nur zu deiner Information: wir pflegen schon seit längerem nur noch von Tumoren zu sprechen, das Wort Krebs ist tunlichst zu vermeiden. Da wir gerade beim Thema Lunge sind... Bist du meiner Empfehlung eigentlich gefolgt und hast endlich das Rauchen aufgegeben?»
    «Zur Sache, bitte!»
    «Wie du meinst. Also: Tod vor Eintritt ins Wasser...»
    «Na so eine Überraschung!»
    «Es gibt Anzeichen, daß die Leiche sich einige Zeit in gleichsam embryonaler Stellung befunden hat...»
    «Du meinst, während des Transports?» fragte Morse interessiert.
    Der Gerichtsmediziner schwieg.
    «Vielleicht im Kofferraum eines Wagens; wäre das möglich?»
    «Woher, zum Teufel, soll ich das wissen!» polterte der Pathologe gereizt. «Das herauszufinden ist schließlich deine Sache.»
    Morse seufzte. «Sonst noch etwas?»
    «Die Verstümmelungen wurden nicht am lebenden Körper, sondern erst an der Leiche vorgenommen.»
    «Wie du sowas immer herausbekommst!» sagte Morse, und es war nicht ganz klar, ob es ironisch oder bewundernd gemeint war.
    «So. Das wäre im großen und ganzen alles.»
    Morse fand die Auskünfte außerordentlich hilfreich, heuchelte jedoch aus taktischen Gründen Enttäuschung. «Ich hoffe doch sehr, du sagst mir jetzt noch, wie er gestorben ist. Dafür wirst du schließlich bezahlt, oder?»
    «Schwierige Frage», sagte der Pathologe kühl. «Der Torso weist keine augenfälligen Verletzungen auf. Er weist überhaupt keine Verletzungen auf, um genau zu sein. Vielleicht hat der Mann eins über den Kopf gekriegt, so was soll vorkommen, wie du weißt. Aber da der Kopf - du erinnerst dich hoffentlich — uns für eine Untersuchung nicht zur Verfügung steht...»
    «Vergiftet worden ist er nicht?»
    «Nein, ich glaube, das kann ich ausschließen, obwohl man sich nie so ganz sicher sein kann, wenn das Gekröse über längere Zeit im Wasser eingeweicht worden ist.»
    «Was hast du denn im Magen gefunden?»
    «Scotch — aber das wird dir nicht viel weiterhelfen, du findest ja heute kaum noch einen Magen ohne Scotch. Da fällt mir übrigens ein, ich wollte mich schon seit längerem mal bei dir erkundigen, was aus deinem Vorsatz geworden ist, das Trinken aufzugeben.»
    «Es ist mir noch nicht so ganz gelungen», sagte Morse förmlich.
    «Ach, beinahe hätte ich es vergessen. Außer dem Scotch habe ich auch noch Bücklingreste gefunden.»
    «Meinst du, er hat ihn zum Frühstück gegessen?»
    «Ob nun zum Frühstück oder zu welcher anderen Mahlzeit, das kann ich dir wirklich nicht sagen», sagte der Gerichtsmediziner ungeduldig.
    «Es wäre also auch denkbar, daß er den Scotch zum Frühstück und den Räucherfisch zum Lunch zu sich genommen hat?»
    «Warum denn nicht? Die Eßgewohnheiten werden doch von Jahr zu Jahr unkonventioneller.»
    «War das jetzt alles?»
    «So gut wie.»
    Morse atmete tief durch und machte seine Exocet zum Abschuß bereit: «Vielen Dank für deine Ausführungen, lieber Max, ich weiß ja, daß du persönlich immer sehr gründlich arbeitest, aber ich kann dir doch den Vorwurf nicht ersparen, daß du deine Mitarbeiter nicht genügend an der Kandare hast. Mir scheint, sie haben da doch etwas übersehen. Ich behaupte zwar nicht von mir, daß ich von deinem Fachgebiet sehr viel verstehe, aber selbst ich...»
    «Du mußt besser zuhören, Morse», unterbrach ihn der Pathologe. «Ich sagte,

Weitere Kostenlose Bücher