Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Rätsel der dritten Meile

Das Rätsel der dritten Meile

Titel: Das Rätsel der dritten Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
geht es hier entlang.»
    Der Raum machte keinen besonders einladenden Eindruck, Möbel und Kisten standen durcheinander, so wie die Packer sie abgesetzt hatten. Nur eine der Kisten mußte schon einmal geöffnet worden sein, um ihr den Kopf von Jacob Burckhardt zu entnehmen, den Morse gleich beim Eintreten auf dem Kaminsims entdeckt hatte.
    Morse deutete auf die Büste. «Anscheinend ist Mr. Westerby inzwischen doch einmal hier gewesen.»
    «Nicht, daß ich wüßte. Aber er kann natürlich abends mal vorbeigekommen sein, als ich schon weg war...»
    Morse nickte, ging hinüber zu den beiden eingebauten Wandschränken und öffnete sie nacheinander. Doch nichts als staubige Leere gähnte ihm entgegen. Er runzelte irritiert die Stirn. Irgend etwas stimmte nicht. «Den Teppich draußen in der Diele - haben Sie den gesaugt?»
    Morse hätte schwören können, daß der Mann um eine Spur blasser geworden war. «Nein, ich, ich, äh... ich sagte doch schon, ich bin nur zuständig für die Reinigung des Treppenhauses...»
    Morse war überzeugt, daß er log, und glaubte auch den Grund dafür zu kennen: ein Hausmeister in einem Apartmenthaus wie diesem... die Bewohner zum Teil reiche Junggesellen... da bekam er garantiert ab und zu ein paar Pfundnoten in die Hand gedrückt, um den einen oder anderen Extraservice zu leisten, wie zum Beispiel Staubsaugen oder auch andere Dinge... Und er würde eine ganze Menge über die Bewohner hier wissen.
    Doch alle Fragen, die Morse in dieser Richtung stellte, stießen nur auf undurchdringliches Schweigen. Nein, er habe mit den Mietern keinen besonderen Kontakt, manche kenne er überhaupt nur vom Sehen...
    «Haben Sie Mr. Westerby damals die Wohnung gezeigt?»
    «Nein, der Makler hatte jemanden geschickt, einen jungen Mann.»
    «Ist es immer derselbe junge Mann?»
    «Wie? Ich verstehe nicht...»
    «Sie sagten doch, die andere Wohnung sei gerade vor einigen Tagen verkauft worden.»
    «Ach so, Sie meinen, ob da auch wieder der junge Mann... Das kann ich Ihnen nicht sagen, da bin ich nicht dagewesen.»
    «Dieser junge Mann — das ist nicht zufällig Mr. Gilbert selbst?»
    «Glaube ich nicht, aber genau kann ich Ihnen das nicht sagen, ich habe ihn nie getroffen.»
    Morse nickte. Wieder hatte er das Gefühl, daß irgend etwas nicht stimme, und so gab er auf gut Glück einen Schuß ins Dunkle ab. «Mr. Westerby war doch neulich noch mal hier, vor... na, wann wird es gewesen sein? — So vor gut einer Woche, würde ich sagen...»
    «Davon weiß ich nichts. Ich habe ihn nur damals gesehen, als er sich die Wohnung hat zeigen lassen.»
    «Ah ja», sagte Morse, «ich verstehe.» Doch das einzige, was er verstanden hatte, war, daß er nicht nur nicht ins Schwarze getroffen, sondern die Zielscheibe überhaupt verfehlt hatte. Ohne bestimmte Absicht, getrieben von einer diffusen Unruhe, warf er noch einen Blick ins Bad und in die Küche. In beiden Räumen war der Fußboden ungewöhnlich sauber, so als sei er kürzlich erst gewischt worden. Hoskins mußte einen schönen Nebenverdienst haben...
    Weder die Inspektion von Westerbys Wohnung noch das Gespräch mit dem Alten, augenscheinlich jemand, der wußte, wann man die Hand aufhielt, aber ansonsten wohl harmlos, hatten Morse auch nur einen Schritt weitergebracht, und so war er, als er hinter dem Hausmeister die Treppe hinuntertrottete zurück ins Erdgeschoß, nicht gerade bester Laune. In diesem Augenblick kam ihm der Zufall zu Hilfe. Er hörte plötzlich hinter sich ein leises Geräusch, und als er sich umdrehte, entdeckte er, daß sich hinter ihm, links vom Eingang, ein Fahrstuhl befand. Merkwürdig, den hatte er vorhin gar nicht wahrgenommen. Die Fahrstuhltür öffnete sich, und heraus trat ein dunkelhäutiger Mann in einem eleganten grauen Maßanzug.
    Hoskins tippte ehrerbietig mit dem Zeigefinger der rechten Hand an einen imaginären Mützenrand. «Tag, Sir.»
    Zu Morse’ Erstaunen wandte der Mann sich nach links zur Rückseite des Hauses. «Wohin geht der denn?» flüsterte er Hoskins zu.
    «Es gibt einen Hinterausgang», gab dieser leise zurück.
    Als habe der Mann gespürt, daß über ihn gesprochen wurde, drehte er sich in diesem Moment halb um und warf einen teils erstaunten, teils argwöhnischen Blick zurück, den Morse auf sich bezog — offenbar war man hier empfindlich, was fremde Gesichter anging.
    «Wer war das?» fragte er, als der Mann verschwunden war.
    «Er wohnt im...»
    Aber Morse hörte schon gar nicht mehr hin, der herunterkommende Lift

Weitere Kostenlose Bücher