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Das Rätsel der dritten Meile

Das Rätsel der dritten Meile

Titel: Das Rätsel der dritten Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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zu der Überzeugung gekommen, daß er nun lange genug in seinem billigen Hotel ausgeharrt habe und sich allmählich, ohne Gefahr zu laufen, in seine Wohnung trauen könne. Das erste, was er sieht, als er sein Wohnzimmer betritt, ist der Kopf Jacob Burckhardts auf dem Kaminsims! Ich nehme an, er hat sofort Bescheid gewußt — was ich von mir nun ehrlicherweise nicht behaupten kann. Als Alfred Gilbert die Wohnung erreicht, ist Westerby vermutlich gerade dabei, die Kiste, in der sich der Kopf befunden hat, zu öffnen um festzustellen, ob seine Vermutung stimmt... Nun, und was danach passiert ist, wissen wir ja: Westerby brachte Alfred Gilbert um.»
    Das war Lewis denn doch ein bißchen zu viel , und zu wenig . «Aber, Sir», protestierte er, «diese Annahme müßten Sie schon mit ein paar Beweisen untermauern, bevor ich sie glaube. Warum um alles in der Welt sollte Westerby Alfred Gilbert umbringen wollen? Schließlich waren sie, nach allem was Sie mir erzählt haben, Komplizen.»
    Morse nickte. «Ja. Waren sie. Aber versuchen Sie doch, sich die Situation einmal vorzustellen. Alfred strebt in höchster Eile Cambridge Way zu. Er weiß nicht, wieso wir überhaupt dazu gekommen sind, uns für diese Adresse zu interessieren, aber er weiß, was wir finden könnten, wenn wir erst einmal da sind. Ich nehme an, er wird ganz schön in Panik gewesen sein! Er betritt Westerbys Wohnzimmer, natürlich ohne zu ahnen, daß Westerby bereits dort ist. Wahrscheinlich hat er ihn auch überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Westerby benutzte, obwohl er, wie wir wissen, nur leicht schwerhörig war, ein Hörgerät — er wird also mitbekommen haben, als sich der Schlüssel im Schloß dreht und, da er ja nicht weiß, wer dort kommt, versucht haben, sich zu verbergen. Wahrscheinlich im Badezimmer.
    Im Gegensatz zu Gilbert — und das ist wichtig — hat Westerby nicht die geringste Ahnung, daß ich, wenn auch momentan noch aufgehalten, über kurz oder lang bei ihm auf der Matte stehen werde. Ich könnte mir vorstellen, daß er nach einem Moment der Panik versucht hat, durch den Türspalt nach außen zu spähen, um festzustellen, wer der Eindringling ist. Und wen sieht er? Alfred Gilbert, der zielsicher auf die Kiste zusteuert, die, wie Westerby inzwischen weiß, den Kopf der Leiche enthält. Hat er bis dahin noch irgendwelche Zweifel gehabt, so ist er sich jetzt ganz sicher, daß die beiden Gilberts ein böses Spiel mit ihm treiben, daß sie versuchen, ihn noch tiefer in diese schlimme Geschichte hineinzuziehen, um ihn immer mehr in die Hand zu bekommen und ihn desto besser erpressen zu können. Ich nehme an, in diesem Moment hat ihn die Wut gepackt, er schleicht hinter Gilbert ins Zimmer und bohrt ihm den Schraubenzieher, den er sowieso noch von vorhin, als er die Kiste zu öffnen versuchte, in der Hand hält, zwischen die Schulterblätter. Anschließend schleppt er, wie ich annehme, die Leiche ins Badezimmer. Auf dem Teppichboden im Wohnzimmer waren jedenfalls keine Blutflecken; das Badezimmer dagegen sah, als ich ankam, frisch gewischt aus.
    Aber im Badezimmer kann die Leiche natürlich nicht bleiben. Er zieht also Gilbert den Schlüsselbund aus der Tasche, hievt die Leiche in den Fahrstuhl und fährt mit ihr in den vierten Stock, wo es noch eine freie Wohnung gibt, wie er vermutlich gesprächsweise erfahren hat, als er selbst noch potentieller Käufer war. Er packt die Leiche in einen der Wandschränke im Wohnzimmer, kehrt dann in seine eigene Wohnung zurück und versucht, alle dort eventuell vorhandenen Spuren zu tilgen. Genau in diesem Moment klingelt es, und er geht zur Tür. Die Frage liegt nahe, warum Westerby überhaupt geöffnet hat. In seiner Situation ist das doch der schiere Wahnsinn — es sei denn, er hätte jemanden erwartet, jemanden, der bereit sein könnte, ihm zu helfen: Browne-Smith. So geht er also zur Tür — und sieht sich mir gegenüber. Und in Sekundenschnelle verwandelt sich G. Westerby, emeritierter Professor für Kunstgeschichte am Lonsdale College, in den Hausmeister Hoskins, gesprochen . Das Cockney dürfte ihm noch die wenigsten Probleme gemacht haben, er war ja — wie Sie in Ihrem hervorragenden Bericht festgehalten haben, gebürtiger Londoner. Ich begreife jetzt noch nicht, wie ich mich so täuschen lassen konnte; ich würde nicht einmal stutzig, als wir einem der Hausbewohner, einem Araber, begegneten und dieser uns erstaunt, ja argwöhnisch ansah. Ich fand sein Verhalten nur

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