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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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verstanden?«
    Ming wurde weiß vor Zorn, aber sie sagte kein Wort.
    »Nun, ich habe den Eindruck, dass du mich verstanden hast.« Beatrice atmete tief durch. Es tat gut, seiner Wut endlich einmal Luft zu machen. Obwohl sie davon überzeugt war, dass sie jetzt einer Todfeindin gegenüberstand. »Es wird gleich besser werden«, wandte sie sich wieder dem Mädchen zu und streichelte ihm über das Haar. Sie musste sich etwas einfallen lassen, um die Schmerzen der Kleinen zu lindern. Sie dachte an Buchara. Sollte sie es jetzt auch mit Opium versuchen? Rohopium gab es hier in China sicherlich in ausreichender Menge, aber ob sie es auch ungestraft anwenden konnte, war fraglich. In Buchara hatte Ali es nur unter Einsatz seines Lebens und guten Rufs besorgen können, und hier hatte sie keinen solchen Verbündeten an der Seite. Welche Alternativen gab es noch? Weidenrinde. Die war Salizylsäurehaltig und hatte somit eine ähnliche Wirkung wie Aspirin. Andererseits wusste sie nicht, ob es in China auch Weiden gab. Welche Mittel mochten wohl die Ärzte in China anwenden, um so starke Schmerzen zu lindern? Beatrice dachte angestrengt nach. Und als es ihr endlich einfiel, hätte sie sich am liebsten mit der flachen Hand auf die Stirn geschlagen und laut Trottel gesagt. Akupunktur! Das war die Lösung! Warum war ihr das nur nicht gleich eingefallen?
    »Ming, lass Li Mu Bai rufen. Er soll der Kleinen Nadeln setzen, damit sie keine Schmerzen mehr hat.«
    »Den weisen Li Mu Bai?«, fragte Ming und runzelte missmutig die Stirn. »Er ist bestimmt nicht bereit, für so eine…«
    »Tu einfach, was ich sage!«, unterbrach Beatrice die Alte energisch. »Und denke immer daran, dass ich zu meinem Wort stehe.«
    Ming knurrte etwas auf Chinesisch und schickte dann das andere Mädchen los, um Li Mu Bai zu holen. Wie Beatrice vermutet hatte, kam der Mönch auf der Stelle. Sie erklärte ihm kurz, was geschehen war, was sie selbst bereits getan hatte und um was sie ihn nun bat. Er hörte ihr aufmerksam zu und sah sie überrascht an, als sie von klarem Wasser und Tüchern berichtete.
    »Von dieser Behandlung habe ich noch nie gehört«, sagte er höflich. »Wir träufeln Öl auf die verbrannten Stellen.«
    »Ich weiß«, entgegnete Beatrice. Sie versuchte, Mings triumphierendes Lächeln zu übersehen, während sie überlegte, mit welchen Argumenten sie Li Mu Bai wohl am ehesten überzeugen konnte. »Auch in meiner Heimat haben wir Ärzte lange Zeit Brandverletzungen auf diese Art behandelt. Aber im Laufe vieler Jahre haben wir die Erfahrung gemacht, dass klares Wasser die Überlebenschancen des Verletzten erhöht und die Heilung der Wunden verbessert.«
    Li Mu Bai dachte einen Augenblick nach, dann nickte er. »Gut, wir werden es so machen«, sagte er.
    Wenn er skeptisch war, so ließ er es sich nicht anmerken. Vielleicht sah er das Ganze aber auch nur als ein Experiment an. Ein spannendes Experiment, dessen Ausgang zwar interessant, im Grunde genommen jedoch unwichtig war, da es sich bei dem Versuchsobjekt lediglich um eine kleine unbedeutende Dienerin handelte.
    Er setzte dem Mädchen seine goldenen Nadeln, und schon wenig später schlief es tief und fest.
    »Morgen komme ich wieder«, meinte Li Mu Bai und verneigte sich vor Beatrice. »Dann werden wir sehen, wie es ihr geht.«
    »Jetzt baden«, sagte Ming mürrisch, als der Arzt gegangen war.
    Beatrice entledigte sich der restlichen Kleidung und begab sich zu dem Zuber. Ein Schemel diente als Treppe. Etwas unbeholfen kletterte sie auf den Rand, hielt einen Fuß hinein und schrie auf – das Wasser war immer noch kochend heiß. Wie heiß musste es erst zu Anfang gewesen sein? Ob das Mings Art war, sich an ihr zu rächen? Wollte die Alte sie einfach verbrühen?
    »Heiß?«, fragte Ming überflüssigerweise.
    »Ja. Gieß noch kaltes Wasser hinzu.«
    Die Alte verzog das Gesicht, eine Mischung aus Missfallen und Verachtung gegenüber der barbarischen Europäerin, die nicht einmal in der Lage war, heißes Wasser zu ertragen. Wenigstens gehorchte sie, holte einen weiteren Krug mit kaltem Wasser und schüttete ihn in den Zuber.
    Vorsichtig ließ Beatrice sich in die Wanne gleiten und setzte sich, sodass ihr das heiße, nach Zedernholz duftende Wasser bis zu den Schultern reichte. Während Ming ihr die Haare wusch, ließ Beatrice ihre Hände über den Rand der Wanne gleiten. Das Holz war so gut verarbeitet und so glatt geschmirgelt, dass es sich unter ihren Fingern weich und seidig anfühlte.
    Beatrice

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