Das Rätsel der Rückkehr - Roman
als bis zum zweiten Rumpunsch an.
Wie ein Zug verrückt gewordener Vögel
brachen wir alle auf, fast zur gleichen Zeit.
Verbreiteten uns über den ganzen Planeten.
Heute, nach dreißig Jahren,
beginnt meine Generation mit der Rückkehr.
Unter dem Mangobaum diskutieren wir leidenschaftlich über die im Ausland verbrachten Jahre – ein Leben. Seine Frau hört uns mit erloschenem Lächeln zu, während sie ihren Kaffee schlürft. Sie kam erst vor kurzem und verlangt, dass wir in ihrer Anwesenheit Kreolisch sprechen. Diese Sprache berührt mich hier, sagt sie, und zeigt auf ihren gerundeten Bauch.
Als sie mich zum Wagen begleitet, während ihr Mann dem Personal noch Anweisungen gibt, spricht sie mit mir in bestimmtem Ton. Ich werde dafür sorgen, dass die Muttersprache meines Kindes Kreolisch ist. Streng genommen wäre sie Englisch. Aber die Muttersprache ist noch eher die Sprache, die die Mutter für das Kind wählt, und ich will es mit Kreolisch erziehen.
Ich erzähle ihr eine Geschichte. Mit etwa acht Jahren traf ich in Petit-Goâve eine Frau, ich wusste nicht, woher sie kam. Nur, dass sie eine Weiße war und überall barfuß ging in Haitis Staub. Sie war die Frau des Schreiners. Sie hatten einen Sohn in meinem Alter, er war weder schwarz noch weiß. Ich habe mir nie vorstellen können, wie man in einer anderen Kultur als der eigenen leben kann. Trotz der dreiunddreißig in Montréal verbrachten Jahre, bleibt das Geheimnis für mich ungebrochen. Als beträfe es einen anderen.
In dem kleinen Zimmer von Montréal
habe ich Wein getrunken, gelesen, geliebt, geschrieben,
ohne am Morgen das Schlimmste befürchten zu müssen.
Wie soll einer diese Frau verstehen,
die aus einem freien Land herkommt,
um unter dieser Diktatur zu leben?
Sie erzählt mir dazu eine Geschichte:
Sie hat eine Freundin, die lange in Togo lebte,
vor der Abreise in Belfast um Rat gefragt.
Diese meinte, man gehöre nicht unbedingt
zu dem Land, in dem man geboren ist.
Manche Samen trägt der Wind anderswohin.
Mein Freund kommt. Küsst seine Frau am Hals, sie windet sich seufzend unter der heißen Sonne. Es gibt nichts Sinnlicheres als eine Schwangere. Wir steigen in den roten Jeep, er umrundet die irische Fahne und hält noch einmal bei ihr an. Sie tritt zur Fahrerseite. Die beiden lächeln sich innig an. Sie berührt seinen Unterarm. Er fährt los. Sie steht noch einen Moment in der Sonne, bevor sie ins Haus geht. Falls ihn jemals die Lust überkommt, nach Irland zurückzukehren, sie wird nicht mitgehen.
Ein kleiner Friedhof, gemalt wie ein naives
Bild, in der Nähe von Soissons-la-Montagne
Schon sind wir am Halt angekommen, in Fermathe,
wo es gegrilltes Schweinefleisch gibt
mit gebratenen Süßkartoffeln.
Ein Lastwagen voller Leute beim Essen.
Aufgeregtheit in der Luft
vor der langen Abfahrt
in den tiefen Süden.
Es braucht ebensoviel Zeit,
wie in ein anderes Land zu reisen,
wenn man von einer Stadt in die andere will
im Landesinnern
mit seinen holprigen Straßen
und schwindelerregenden Felsabbrüchen.
Wir fahren durch eine Hecke schreiender Händlerinnen,
sie halten uns Körbe mit Früchten vor die Nase.
In dem Durcheinander steigen Lacher auf.
Eine zotige Bemerkung eines Mannes.
Plötzliche Heiterkeit bei den Frauen.
Der Lastwagenfahrer hat das Tempo gedrosselt,
alle Männer beugen sich zu der Seite,
wo der Bach tief unten rauscht
und Frauen mit nackten Brüsten
die weißen Laken waschen
für die Damen von Pétionville.
Ein Hauch von Kolonie.
Wohin rennt das kleine Mädchen wutentbrannt
durch das Feld mit gelben Blumen,
die sich beugen unter seinen Füßen?
Wenn ein Mädchen in diesem Alter
in eine solche Wut geraten kann, ist das vielleicht ein Zeichen,
dass in diesem Land
noch Kraft steckt.
Die Frau unter dem Mangobaum
lädt uns ein, Kaffee zu trinken.
Der Bach ist nicht weit.
Die Luft ist so sanft,
dass sie kaum meine Haut berührt.
Die Musik des Winds in den Blättern.
Das Leben hat kein Gewicht.
Ein Kätzchen
sucht seine Mutter,
findet eine Hündin,
die lässt es zu.
Jetzt schlafen sie dort
in den Blumen.
Wir fahren weiter, treffen eine lange Kolonne
von Autos vor uns auf der Straße,
darin Männer mit Krawatte,
schweißgebadet,
und Frauen in Schwarz.
Die Prozession hält
an dem einfachen Friedhof, dekoriert
von den Bauern der Umgebung.
Woher stammt die Idee,
den Tod zu malen mit so schreienden Farben
und so naiven Motiven,
dass die Kinder darüber lachen?
Für den
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