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Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Das Rätsel der Rückkehr - Roman

Titel: Das Rätsel der Rückkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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er, plötzlich betrübt. Er war der Beste von uns allen. Meine Mutter mochte ihn gern. Jacques war Maries Freund, auf mich hatte deine Mutter aber ein wachsames Auge. Warum? Weil ich viele Freundinnen hatte, dachte sie, ich würde sie auch mit ihrem Mann bekannt machen, dabei war Windsor selbst sehr umschwärmt. Und der letzte war François. Ist er auch tot? Nein. Er hat sich aufs Land verzogen. Dieser hochbegabte Bursche ist heute so etwas wie ein Bauer. Manchmal kenne ich mich mit diesem Land nicht mehr aus, als hätten wir alle einen Selbstmordvirus. Wir sind unfähig, in die moderne Welt einzutreten. Du glaubst, einen Kerl zu kennen, den du jahrelang jeden Tag gesehen hast, und plötzlich verkündet er dir, dass er zurück muss in die Finsternis, weil ein Hausgott das verlangt. Ist das mit François passiert? Ich weiß nicht mal, ob das eine Voodoo-Geschichte ist, aber gerade um ihn ist es ausgesprochen schade, die reine Verschwendung! Wo lebt er jetzt? Als ich ihm das letzte Mal begegnete, war das in Artibonite. Damals interessierte er sich für den Reisanbau. Ich war auf dem Weg zum Kap, als ich einen Bauern sah, der bis zur Taille im Wasser stand. Ich ließ den Wagen anhalten. Es war François. Dabei könnte dieser Mann in jeder Regierung Landwirtschaftsminister werden. Ich habe alles versucht, ihn wieder nach Port-au-Prince zu holen, denk dir, dieser Typ liebte Brecht und Genet! Aber jeder führt sein Leben, wie er es versteht. Monsieur François ist jetzt in Croix-des-Bouquets, wirft der Chauffeur ein. Ich weiß, sagt der ehemalige Minister mit einer Spur Gereiztheit, ich hörte, er züchtet jetzt Hühner. Der Buick 57 braust durch die Nacht. Der Chauffeur scheint jede Unebenheit zu kennen und umrundet alle so geschickt, dass wir meinen, auf einer glatten Straße zu fahren.
    Je näher wir Pétionville kommen,
    werden die Mädchen immer jünger.
    Die Röcke immer kürzer.
    Die Blicke aufdringlicher.
    Dieser Krieg ist ebenso heftig
    wie bei den Gangs in der Cité Soleil.
    Die Mädchen haben stets
    teurer dafür bezahlt,
    wenn die Stadt
    zum Dschungel wird
    und die Nacht unsicher.
    Der Hunger nach Sex
    verschont keinen
    auf seinem Weg.
    Trotz der späten Stunde fahren wir einen Umweg über Delmas, um Frankétienne zu besuchen. Der Arzt will ein Bild kaufen aus seiner jüngsten Phase. Ein so produktiver Künstler wie Frankétienne könnte einen Sammler ruinieren. Er begrüßt uns mit einem solchen Lärm, dass davon das ganze Viertel erwachen muss. Das Ungeheuer in seiner Höhle. Trotz der lobenden Bemerkungen des Arztes scheint Frankétienne ihm kein Bild aus seiner Privatsammlung verkaufen zu wollen. Der reiche Arzt erklärt sich bereit, einen guten Preis zu zahlen, aber der Maler bleibt hart. Uns wird Kaffee gereicht – seit seiner Krankheit trinkt Frankétienne keinen Alkohol mehr. Im Augenblick arbeitet er an einem Roman, das dicke Manuskript sehen wir in einem mächtigen Blätterberg auf seinem großen Arbeitstisch ausgebreitet. Alles an ihm ist unmäßig. Nackter Oberkörper. Unersättlicher Appetit. Das Gesicht rot wie ein gesiedeter Hummer. Die grenzenlose Begeisterung eines von Literatur und Malerei Besessenen. Er hat einige Tausend Bilder gemalt und sein erster großer Roman
Ultravocal
ist in vierzig Jahren zu über dreißig Bänden ausgeufert. Das Ungeheuer hat nie woanders als in dem hiesigen urbanen Trubel gelebt. Da er merkt, wie verdutzt ich bin, angesichts der Tonne kunterbunter Papiere, mit unverständlichen Zeichen bedeckt, die eher Noten als Buchstaben gleichen (er wäre fähig, ein Vokabular und eine Grammatik zu erfinden, um ein wirklich originelles Buch zu schreiben), wirft er mir hin, sein nächstes Werk sei eine Roman-Oper. Was ist eine Roman-Oper?, fragt da der Chauffeur, der in seinem Winkel eingenickt schien. Frankétienne wendet sich unvermittelt an ihn. Sie sind der erste, der das zu fragen wagt, alle anderen tun so, als ob sie es verstünden. Ich kann es nicht erklären, aber wenn ich das Buch fertig habe, werden Sie schon sehen. Zuvor schenke ich Ihnen aber ein Bild. Er zwängt sich durch zum Lager, kehrt mit einem riesigen Gemälde zurück, das wir bestimmt nicht ins Auto hineinkriegen. Er löst es so schwungvoll aus dem Rahmen, dass er beinah die Leinwand beschädigt. Er wirft sie hinten in den Kofferraum des Buick, unter dem verblüfften Blick des Sammlers und Mediziners, der nun mit leeren Händen und Taschen voller Geld wieder wegfahren muss.
    Eine Frau, allein auf der

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