Das Rätsel der Rückkehr - Roman
Nationalstraße gibt uns verzweifelt Zeichen zu halten. Der Arzt drängt den Chauffeur, er soll weiterfahren. Angeblich ist das der letzte Trick der Straßenräuber, um Reisende auszurauben. Die Frau dient als Lockvogel für die im Gebüsch versteckten Diebe. Doch falls es echt ist? Wenn sie wirklich Hilfe bräuchte? Dann erfahre ich es aus der Zeitung.
Damit die Szene glaubhaft wirkt,
wird eine arme Frau entführt.
Sie versprechen ihr die Freiheit,
wenn es ihr gelingt,
einen der Luxuswagen in die Falle zu locken,
dessen Eigentümer eine Villa am Berghang besitzt.
Im
Nouvelliste
las ich die tragische Geschichte einer Frau, die nach einem Unfall am Rand der Nationalstraße stand, mit ihrem Sohn. Keiner hielt an. Der Sohn verblutete. Die Frau, verrückt geworden, versucht immer noch, Monate später, Autofahrer um Hilfe zu bitten. Sogar die Killer, die ihr Hauptquartier in dieser verlassenen Gegend aufgeschlagen haben, meiden sie. Man fürchtet ihren Blick.
Für jeden Arm, der einen Revolver
auf dich richtet,
gibt es eine Hand, die dir eine Frucht anbietet.
Jedes verächtliche Wort des einen
wird vom Lächeln des anderen ausgelöscht.
Zwischen diesen beiden Polen
ist man wie gelähmt.
Wie lebt man mit Siebzig in einem Museum?
Wir verlassen die Lichter von Pétionville.
Hier sind schon die Strohhütten der Bauern,
von Lampen erleuchtet,
die der Wind ausblasen will.
Was ich brauche,
ist ein kleines Zimmer
mit einem Fenster,
durch das man die grüne Landschaft sieht.
Dort könnte ich das Buch schreiben,
über das ich schon so lange grübele.
Wir brausen hinein in eine Straße aus ockerfabener Erde
und halten an einer roten Schranke.
Das herbeieilende Personal reibt sich die Augen.
Drei Autos, anstelle von Haustieren
schlafen schon im Hof.
Hier wohnen nur der Arzt, seine Frau
und seine zahlreichen Bediensteten.
Die Kinder sind über den ganzen Planeten verstreut.
Der Mann lebt in einem echten Museum. Drei Wohnräume sind angefüllt mit Werken wichtiger haitianischer Künstler. Die Pioniere: Wilson Bigaud, Benoît Rigaud, Castera Bazile, Jasmin Joseph, Préfète Duffaut, Enguerrand Gourgues, Philomé Obin, und sogar ein Hector Hyppolite. Die Generation von Cédor, Lazarre, Luce Turnier, Antonio Joseph, Tiga, und Zeitgenossen wie Jérôme, Valcin, Séjourné, daneben die Gruppe Saint-Soleil mit Levoy Exil, Denis Smith und Louisiane Saint-Fleurant. Ein ganzer Raum ist Frankétienne vorbehalten. Fast alle Maler sind vertreten. Der Arzt geht lächelnd hinter mir. Ich bin beeindruckt von der Auswahl der Maler wie auch von einigen ihrer Werke. Am meisten besticht die Hängung. Mir kommt es vor, als hörte ich ihren nächtlichen Dialog. Warum kein Saint-Brice? Er senkt das Haupt. Meine Frau hat Angst vor Saint-Brice. Die meisten seiner Werke sind Köpfe ohne Leib, die sie erschrecken. Ich hatte einen kleinen Saint-Brice, den ich dummerweise im Schlafzimmer platzierte. Meine Frau wachte mitten in der Nacht auf, sah das Bild, das in der Dunkelheit glänzt, und fing an, wie eine Verrückte zu schreien. Ich habe es sofort abgenommen und im Flur aufgehängt, aber das war noch schlimmer. Sie wollte das Zimmer nicht mehr verlassen, nicht mal, um ins Badezimmer zu gehen. Ich musste meinen einzigen Saint-Brice gegen zwei Séjourné tauschen. Es ist schwer vorstellbar, was ein Sammler fühlt, wenn er sich von einem wichtigen Bild trennen muss. Nun, ich habe es verschmerzt. Trinken wir ein Glas?
Wir gehen in den Kleinen Salon – er heißt so, aber er ist viel größer als ein üblicher Wohnraum. Zwei Bedienstete erscheinen wie durch Hexerei mit Kalten Platten. Ich mag Reiche, die gute Gastgeber sind. Wir essen: Käse, Schinken, Leberpastete, Räucherlachs. Wir trinken: Rum, Wein, Whisky. Ich traue mich nicht zu fragen, woher dieser Reichtum stammt. Ich weiß, was du denkst. Wenn Sie früher ein Freund meines Vaters waren, heißt das, Sie waren nicht besonders reich. Er lacht. Wir wussten nie, woher wir was zu Essen kriegen. Aber dein Vater schaffte die größten Hindernisse. Ihm gelang es, sich von diesen reichen Frauen einladen zu lassen, die bei unverschämten jungen Leuten neugierig wurden. Deine Mutter verdächtigte mich, ihn Frauen in die Arme zu treiben. Aber er war selbst ein Verführer und, wie jeder gute Verführer, legte er es nie darauf an, er bemerkte häufig nicht mal den Sturm, den er hinter sich säte. Wie oft musste ich ihm flüstern, dass eine Frau ihn mit den Augen verschlang. Er dachte
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