Das Rätsel der Templer - Roman
inzwischen
zu sich gekommen war, doch seine Arme hingen schlaff herunter, und seine ebenmäßigen Gesichtszüge ließen keinerlei Regung
erkennen.
Der Transport des Bewusstlosen war schwieriger als gedacht, und schon bei dem Versuch, die Beine des Mannes hochzunehmen,
entglitten ihr dessen Füße.
»Mensch, kannst du denn nicht aufpassen?«, fauchte Tom vor Anstrengung keuchend. »Du musst das schon richtig machen, sonst
kommen wir nie bis zur Haustür!«
Irgendwie schafften sie es, den Mann durch das unbeleuchtete Erdgeschoss hindurch in Hannahs Schlafzimmer zu befördern, während
nur der schwache Lichtschein der Autoscheinwerfer, die über den Flur ins Haus drangen, für ein wenig Helligkeit sorgte. Mit
einem Ruck verfrachteten sie den bewusstlosen Mann auf das schmiedeeiserne, französische Bett, das unter seinem Gewicht leicht
schwankte.
Tom ging in die Hocke, um einen Augenblick zu verschnaufen, dabei wischte er sich mit dem Hemdsärmel den Regen aus den Augen.
Hannah lief derweil ins Wohnzimmer, um ein paar Kerzenleuchter zu holen, die sie überall aufstellen konnte.
Nachdem sie die Kerzen so verteilt hatte, dass das Schlafzimmer einigermaßen gut ausgeleuchtet war, wandte sie sich wieder
dem Verletzten zu. Vergeblich versuchte sie, das Alter des Mannes zu schätzen. Vielleicht war er Anfang Dreißig, so wie sie
selbst. Vielleicht aber auch älter.
»Handelt es sich bei den beiden um Vater und Sohn?« Fragend sah sie Tom an.
»Keine Ahnung«, erwiderte er. Er rappelte sich hoch und half ihr den Körper des Mannes in eine stabile Seitenlage zu drehen.
Dabei beobachtete sie ihren Ex-Verlobten heimlich. Sein Kleidungsstil hatte sich seit ihrer Trennung vor zwei Jahren nicht
verändert. Jeans, Karohemd und Cowboystiefel. Obwohl diese Aufmachung nie so richtig zu ihm gepasst hatte. Weit entfernt davon,
ein Naturbursche zu sein, |240| war es Hannah in ihrer langjährigen Beziehung nicht gelungen, ihm die Liebe zu Pferden nahe bringen zu können.
»Hast du Verbandszeug im Haus?«, fragte er. Noch bevor sie antworten konnte, war er nach draußen verschwunden. »Ansonsten
schaue ich im Wagen nach«, rief er ihr zu.
Erschrocken stellte sie fest, dass der Bewusstlose nicht nur eine Kopfverletzung, sondern auch eine stark blutende Verletzung
am linken Oberarm hatte.
»Wir brauchen kein Verbandszeug«, sagte sie mehr zu sich selbst. »Was wir brauchen, ist ein Krankenwagen.«
Rasch zog sie ein Frotteehandtuch aus einer Kommodenschublade und legte es dem Verletzten unbeholfen um den Arm. Er schien
es nicht zu bemerken. Erst jetzt nahm sie die Kleidung des Mannes wahr. Er trug ein feingliederiges Kettenhemd, dessen Ärmel
ihm bis zu den Handgelenken reichten. Seine auffällig großen Hände steckten in dunklen, ledernen Fingerhandschuhen, deren
Oberseite mit zahlreichen Metallplättchen versehen war. Über dem Kettenhemd befand sich ein ärmelloser, langer Überwurf, der
bis zu den Oberschenkeln reichte. Auf der Brust prangte ein mittelgroßes, rotes Kreuz. Darüber trug er ein ziemlich verschmutztes,
ehemals sicher weißes Cape, das am Hals mit einer Metallschließe versehen war. An der linken Seite war auf Schulterhöhe des
Überwurfes ebenfalls ein handtellergroßes, rotes Kreuz angebracht. Es hatte wie das Kreuz auf der Brust eine besondere Form.
Von der Mitte aus zu den Enden wurden die Kreuzbalken breiter. Das Zeichen kam Hannah bekannt vor. Vage erinnerte sie sich,
dass sie so etwas bereits auf Bildern von Kreuzrittern gesehen hatte. Um die Taille trug der Bewusstlose einen breiten, ledernen
Gürtel, an dem sich drei verschieden große Messer befanden, wobei das größte gut vierzig Zentimeter lang war und wie die übrigen
in einer kunstvoll mit Nieten besetzten Lederscheide steckte. Die eng anliegende, dunkle Lederhose des Mannes hatte einige
abgewetzte Stellen und war hier und da mit dunklen Flecken behaftet. Seine groben Lederstiefel endeten unterhalb seiner Knie
mit einem breiten Umschlag, der sich allem Anschein nach bis zum Oberschenkel aufkrempeln ließ. Mit neugierigem Interesse
begutachtete Hannah die metallischen Beschläge der Sohlen. Sie konnte sich nicht erinnern, so etwas schon einmal gesehen zu
haben.
|241| Obwohl der Mann dieses seltsame Kostüm trug, sah er auf den ersten Blick nicht wie ein Spinner aus. Die geschwungenen Brauen
und die lange gerade Nase verliehen seinem Gesicht einen energischen Ausdruck, der sich in seinem
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