Das Rätsel der Templer - Roman
Geschichte des Cäsarius endgültig aus dem Reich der
Legenden zu verbannen.
Die Stute war zutraulicher als erwartet. Instinktiv spürte sie wohl, dass jemand auf ihrem Rücken saß, der wusste, wie man
mit ihr umzugehen hatte. Brav trottete sie im Halbdunkel über die Feldwege, auf die sie nach dem Verlassen des Waldes eingebogen
waren. Matthäus hingegen hatte leisen Protest eingelegt, als Gero ihn angewiesen hatte, lautlos seine alte Kleidung anzuziehen
und ihm in den Stall zu folgen. Schlotternd vor Kälte hatte er auf dem breiten Pferderücken hinter Gero Platz genommen und
sich schutzsuchend an ihn geschmiegt. Sein Herr indes gab sich allergrößte Mühe, nicht ängstlich zu wirken, obwohl ihn die
vielen umherirrenden Lichter und die fremden Geräusche irritierten. Ab und an erlaubte sich Gero einen Blick gen Himmel, der
zusehends heller wurde. Hauptsache, die großen, dröhnenden Vögel ließen sich nicht blicken. Dank der Karten wusste er ungefähr,
wohin er wollte. Auch wenn es hier absolut anders aussah als zu seiner Zeit. Flüsse, Ebenen und Hügel waren schließlich gleich
geblieben. Unterwegs musste er feststellen, dass es nicht ratsam war, querfeldein zu reiten, weil man die meisten Weiden mit
einem dornenartigen Eisenzaun eingefriedet hatte.
Die glatten Steinstraßen, die er hier zum ersten Mal in seinem Leben sah, vermied er, da sich dort die rasend schnellen Wagen
ohne Pferde fortbewegten.
Nach knapp zwei Stunden erreichte er das Liesertal. Wenigstens der breite Bach rauschte noch genauso dahin, wie er es aus
seiner Erinnerung kannte. Mit beklommenem Herzen wandte er sich den Hügel hinauf, der zur Burg seiner Vorfahren führte. Nach
allem, was er bisher gesehen hatte, schwante ihm, dass es der Wahrheit entsprach, was Hannah gesagt hatte. Wenn wirklich siebenhundert
Jahre vergangen waren, seitdem er das letzte Mal diesen Weg hinauf geritten war, |351| konnte seine Familie nicht mehr am Leben sein. Doch was würde ihn stattdessen erwarten? Er straffte die Zügel und schaute
auf seine gepanzerten Lederhandschuhe. Darunter verborgen, am Ringfinger seiner rechten Hand, befand sich der Siegelring,
den sein Vater eigens für ihn hatte anfertigen lassen.
Unvermittelt spürte Gero, wie die Stute anfing zu tänzeln. Irgendetwas musste sie beunruhigt haben. Der Templer starrte ins
Unterholz. Mit einem Mal begann ein fürchterliches Gekläffe. Das Pferd erschrak so heftig, dass es hochstieg. Matthäus schaffte
es gerade noch, seinen Griff zu verstärken, um nicht abgeworfen zu werden. Aus dem dichten Nebel schälte sich eine dunkelgrün
gekleidete Gestalt. Der Mann, mit einem grünen, breitkrempigen Hut auf dem Kopf und einem merkwürdigen Stock auf dem Rücken,
sah ihn griesgrämig an. Der kleine Dachshund, dem das störende Gebell zu verdanken war, zerrte wie tollwütig an einer ledernen
Leine.
Gero schaffte es, das Pferd zu beruhigen, und legte seine Hand vorsichtshalber an den Messergürtel.
»Hier ist kein Reitweg!«, rief ihm der Grünrock unfreundlich entgegen. Die Sprache des Mannes war ebenso seltsam wie die von
Hannah, doch wenn Gero sich konzentrierte, konnte er das meiste verstehen.
»Aus dem Weg, Mann!«, knurrte er, weil er nicht schätzte, sich auch noch auf dem eigenen Grund und Boden belehren zu lassen.
Er schnalzte mit der Zunge und gab der Stute mit einem leichten Tritt in die Flanken zu verstehen, dass sie ihren Weg fortsetzen
sollte.
»Sie steigen jetzt sofort ab und nennen mir Ihren Namen und Ihre Adresse. Ich werde Sie anzeigen«, rief der Grünrock, als
er bemerkte, dass sein Einwand nicht gehört wurde.
Gero entschloss sich, dem Mann einfach keine Beachtung zu schenken, doch plötzlich zerrte der aufgebrachte Kerl an seinem
linken Bein.
Blitzschnell zog der Templer seinen Hirschfänger und packte den Kontrahenten am Kragen. Erbarmungslos hielt er ihm die Klinge
an die Kehle.
»Das hier«, zischte er düster, »ist der Grund und Boden der Edelfreien von Breydenbach. Wenn dir dein Leben lieb ist, wirst
du augenblicklich schweigen und sehen, dass du das Weite suchst!« Er bedachte |352| den Mann mit einem durchdringenden Blick, der seine drohende Wirkung nicht verfehlte. Selbst der Hund hatte seinen Schwanz
eingezogen und versteckte sich winselnd hinter den Füßen seines Herrn.
Gero stieß den Kerl mit einem verächtlichen Schnauben zurück und steckte das Messer in die Scheide. Dann setzte er seinen
Weg ungerührt
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