Das Rätsel der Templer - Roman
sich einiges geändert zu haben«, bemerkte er mit einem lakonischen
Schulterzucken.
Hannah zögerte einen Moment, bevor sie sprach. »Wir müssen einen anderen Weg nehmen. Ich habe einen Anhänger dabei, mit dem
wir das Pferd transportieren können.«
»Ich habe es hierher gebracht, also kann ich es auch zurückführen«, entgegnete Gero störrisch.
»Das glaube ich dir gerne«, beeilte sich Hannah zu sagen. Keinesfalls durfte er den Eindruck gewinnen, dass sie ihn für unfähig
hielt, zu ihrem Haus zurückzufinden. »Aber es ist besser, wenn euch niemand sieht. Wir müssen uns vorsehen. Toms Leute sind
hinter euch her. Sie würden dir und dem Jungen die Freiheit nehmen und …«
|357| »Freiheit …«, sagte Gero und lachte abfällig. »Kann man etwas verlieren, was man nicht hat? Dieser Tom und sein Meister sollten
mir lieber nicht unter die Augen treten«, knurrte er gefährlich leise, »falls doch, werde ich ihnen eigenhändig das Genick
brechen.«
»Es war nicht Toms Absicht, euch eurem gewohnten Leben zu entreißen«, entgegnete Hannah fest. »Er hat den Verdacht, dass sein
Meister die Schuld trägt.«
Gero legte seine Stirn in ungeduldige Falten. »Und wer sorgt dann dafür, dass wir wieder nach Hause kommen? Toms Meister?«
»Im Augenblick niemand«, erwiderte sie zaghaft. »Die Maschine, die Tom und sein Meister benutzen, ist zerstört. Bis zu eurem
Erscheinen ist es niemals zuvor gelungen, einen Menschen aus der Vergangenheit zu holen.«
»Soll das etwa heißen, dass wir hier solange festsitzen, bis uns der Tod erlöst?«
Gero machte ein entsetztes Gesicht. »Schlimm genug, dass siebenhundert Jahre vergangen sind und Gott der Herr sich immer noch
nicht entschließen konnte, den Jüngsten Tag einzuläuten. Weißt du, was es bedeutet, wenn man keine Aussicht darauf hat, die
Menschen, die man liebt, jemals wieder zu sehen, weder auf Erden noch im Paradies?«
Hannah schluckte und sah ihn von der Seite her an. Das Pferd am Zügel, überholte er sie mit ausladenden Schritten, so dass
sie Mühe hatte, mithalten zu können.
Versehentlich waren sie in die falsche Richtung gelaufen und befanden sich nun ein gutes Stück unterhalb der eigentlichen
Burg, wo die eindrucksvollen, noch vorhandenen Fundamente des alten Mauerwerks mit dem Felsen verschmolzen.
»Bei allen Heiligen!«, entfuhr es ihm.
Hannah folgte ihm, während Gero zielstrebig davoneilte. An der Stelle, wo er stehen blieb, waren kleine Bäume und Schößlinge
rücksichtslos abgeknickt worden, und aufragende Klettergewächse hatte man großflächig heruntergerissen. Irgendjemand hatte
sich mit schwerem Gerät am steinigen Untergrund zu schaffen gemacht und ein tiefes Loch gebuddelt.
Der größte Teil der Ausgrabung war wieder zugeschüttet worden, aber am Rande eines kleinen Kraters, der die Fundamente der
Außenmauer |358| freigelegt hatte, war ein Loch von einem Meter Durchmesser verblieben. Hastig band Gero die Zügel der Stute an einen Ast.
Noch bevor Hannah einen Einwand vorbringen konnte, hatte er sich auf den Boden gekniet und war kopfüber in dem Loch verschwunden.
Hannah überlegte kurz. Sie rannte zurück zu Matthäus, der sie erstaunt anschaute, und kramte ein Feuerzeug aus ihrer Manteltasche.
Dann entledigte sie sich des Templermantels und lief zurück zur Mauer. Als sie das Innere des Gewölbes erreichte, mussten
sich ihre Augen erst an die Dunkelheit gewöhnen. Es roch vermodert, und im kargen Licht, das durch den Einstieg herein fiel,
konnte sie nur mühsam erkennen, wo sie sich befand. Die Flamme ihres Feuerzeugs erhellte den vielleicht dreißig Quadratmeter
großen Raum nur spärlich. Die unterirdischen Gewölbe waren so niedrig, dass Gero beinahe mit dem Kopf an die Decke stieß.
In die Felswände waren Nischen eingemeißelt, in denen sich steinerne Särge befanden. Vielleicht waren es acht oder zehn, und
im Halbdunkel konnte man nicht erkennen, ob sich weiter hinten noch andere befanden. Hannah verspürte wenig Lust, es herauszufinden.
Ein Stück weit von ihr entfernt stand Gero und drehte ihr den Rücken zu. Er blickte regungslos auf den Boden. Vor ihm klaffte
eine Öffnung unter einer zur Seite geschobenen, schweren Steinplatte. Eine Treppe führte hinab in eine Gruft.
Als sie an ihn herantrat, glaubte sie zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung war.
Vorsichtig leuchtete sie die steinerne Vertiefung aus.
»Was ist?«, fragte sie ängstlich. »Kanntest du etwa jemanden von
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