Das Rätsel der Templer - Roman
Miene des Templers verfinsterte sich. Der Gedanke an Hannahs stählernen Karren verursachte ihm Übelkeit.
»Die Fahrt dauert nicht lange«, sagte Hannah, um ihn zu besänftigen. Sie kannte Judiths Bruder nur vom Hörensagen. Anselm
war aus Stuttgart zugezogen und hatte sich unweit von Binsfeld ein Haus gekauft. Die Einladung war eine nette Geste und eine
gute Gelegenheit, Gero |384| und Matthäus etwas von ihrer neuen Umgebung zu zeigen. So wie es zurzeit stand, war zu befürchten, dass sie niemals in ihre
Zeit zurückkehren würden. Und ewig verstecken konnte sie die beiden auch nicht. Dafür war Binsfeld zu klein. Außerdem suchten
die Amerikaner wohl kaum nach jemandem, der sich in kürzester Zeit in das moderne Leben integriert hatte. In Jeans und Sweatshirt
sah Gero aus wie jeder andere attraktive Mann. Niemand würde ihn für einen waschechten Templer halten. Sie würde ihm und dem
Jungen eine neue Identität verschaffen. Oft genug hatte sie über Fälscherbanden in den Zeitungen gelesen, die täuschend echte
Pässe herstellten. Für Geld bekam man fast alles.
Nachdenklich schaute sie Gero an. Er stand da und hielt wie üblich die Arme verschränkt, während er seinen undurchsichtigen
Blick in die Abenddämmerung schweifen ließ. Erst gestern hatte er sie gefragt, ob es Irrlichter seien, was man dort draußen
sehen könne.
Es würde viel diplomatisches Geschick erfordern, ihm all die kleinen und großen Dinge zu erklären, die ihn in ihrer Welt verwirrten.
Flugzeuge, Autos, Fernseher und Kühlschrank gehörten zu den echten Herausforderungen, hatte Tom ihr doch stets bescheinigt,
dass sie sogar zu dumm war, die Funktionsweise ihres Bügeleisens zu begreifen. Aber vielleicht war es ja gar nicht das Bügeleisen,
das zum Problem werden konnte. Vielmehr stellte sie sich die Frage, wie sie ihm den zwischenmenschlichen Umgang in ihrer Zeit
erläutern sollte oder die Tatsache, dass man wegen eines Diebstahls nicht mehr am Galgen landete.
Abrupt wandte Gero sich um. »Ich hole Matthäus«, sagte er und war schon auf dem Weg nach draußen.
»Ihr seht wunderschön aus«, sagte der Junge, als er wenig später die Treppe herunter kam und Hannah im Hausflur überraschte,
während sie vor dem Garderobenspiegel stand und ein paar Strähnen aus ihrem aufgesteckten Haar herauszupfte.
»Du bist ein Schatz«, sagte sie und bedankte sich bei Matthäus mit einem Lächeln.
Gero stand plötzlich hinter ihr. Er trug seine Lederhose und seine Stiefel, dazu ein dunkelblaues Sweatshirt und die Jacke
ihres Vaters. Sein intensiver Blick war ebenfalls anerkennend, aber längst nicht so unschuldig wie der des Jungen.
Hannah lief ein Schauer über den Rücken, als er ihr galant in den |385| Mantel half und seine warmen Hände ihren Nacken streiften. Zuvorkommend öffnete er ihr die Haustür, wobei er zuerst nach draußen
trat, offenbar um sich zu überzeugen, dass keine Gefahr drohte, bevor er ihr seine Hand anbot.
Der Beschreibung nach war das Haus des Gastgebers ein älteres Gebäude mit einigen alten Stallungen, die sich zu einem Karree
um einen mittelgroßen Innenhof verbanden. Hannah stellte ihren Wagen in einigem Abstand zum Haus am Straßenrand ab und schloss
sich mit ihren Schützlingen einer Gruppe von anderen Gästen an, die ebenfalls soeben eingetroffen waren.
»Zielpersonen nähern sich dem Objekt«, tönte es aus Jacks Funkgerät. »Hier findet offenbar eine Party statt. Sieht ganz so
aus, als ob das eine längere Geschichte wird.«
Zufrieden lehnte Jack Tanner sich in seinem Wagen zurück. »Einer von euch soll mit reingehen. Ich will wissen, was das für
ein Kerl ist, den sie da mitschleppt«, befahl er mit einem süffisanten Grinsen. »Und Action!«, bemerkte er tonlos, während
er in sein Mobiltelefon sprach.
Das Signal galt einem Trupp von Mitarbeitern, die Hannah Schreybers Haus verwanzen sollten, und zwei weiteren Mitarbeitern,
die einen GPS-Überwachungspack an ihrem Wagen zu installieren hatten.
»Weißt du, was ich mich frage, Mike?«, bemerkte Jack, als er auf dem Kleinbildschirm seines Wagens erkennen konnte, wie sich
der Installationstrupp der NSA von der Terrassentür her dem Haus der Schreyber näherte.
»Nein?« Mike biss genüsslich in einen Donut.
»Wenn der Typ, der sie begleitet, tatsächlich derjenige ist, für den Hagen ihn hält, ist er erst vor einer Woche hier angekommen.
Und schon hat er eine Frau gefunden, die mit ihm in trauter
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