Das Rätsel der Templer - Roman
Hagen untersucht hat. Ist doch ein merkwürdiger Zufall, oder?«
Wenig später meldete sich Jack Tanners befehlsgewohnte Stimme per Funk.
»Piet, gehe in das Objekt rein und mische dich unter die Gäste. Bei mehr als hundert Leuten fällst du nicht auf. Vielleicht
gibt’s ja ne Möglichkeit, herauszufinden, welche Verbindungen Stevendahls Ex-Verlobte zu unserem Waffenfuzzi hat.«
»Aye, Sir«, klang es aus dem Lautsprecher. »Ich melde mich, sobald ich etwas weiß.«
Im Vorbeigehen registrierte Hannah das üppige Büfett, das im hinteren Teil des kleinen Saales aufgebaut worden war. An der
Wand darüber hingen überkreuzte Schwerter und Schilde zur Dekoration. Die übrigen Wände zierten hübsche Wandteppiche mit mittelalterlichen
Jagdszenen.
Gero lächelte wehmütig. »Hier fühlt man sich ja fast wie zu Hause«, entfuhr es ihm.
»Wir müssen uns vorsehen«, flüsterte Hannah ihm zu. »Der Hausherr ist anscheinend Experte, was eure Zeit und eure Kultur betrifft.«
»Woran erkennt man das?« Fragend hob der Templer eine Braue, während seine Stimme seltsam neutral blieb.
»Na, schau dich doch um! Fällt dir nicht auf, dass die meisten Gäste hier gekleidet sind und solche Frisuren haben wie die
Leute in deiner Zeit?«
»So ist bei uns kein Mensch herumgelaufen«, empörte sich Gero. »Schon alleine die langen Haare. In meiner Zeit trägt jeder
Mann, der etwas auf sich hält, das Haar höchstens schulterlang und offen. Manche brennen sich Locken hinein. Und dann gibt
es welche, die tragen ihre Haare so kurz wie ein Schaf im Frühjahr. In meinem Orden ist es ohnehin Vorschrift.« Wie zum Beweis
fuhr er sich mit der Hand über seinen kurz geschorenen Schopf.
»Aber die Kleidung war doch bestimmt ähnlich?«
»Hm«, brummte Gero und verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen. »Als Bettler und Tagelöhner würden sie wahrscheinlich
nicht auffallen.«
|391| Hannah erinnerte sich, dass sein Mantel, den sie bereits zweimal gewaschen hatte, erstaunlich gut verarbeitet war. Nicht zum
ersten Mal drängte sich ihr der Gedanke auf, dass sie einen Fehler beging, wenn sie das Leben und das Verhalten der Menschen
im Mittelalter so bewertete, als wäre es kaum von der Steinzeit entfernt.
Voller Anspannung stand sie neben dem Büfett und hielt sich an einem Glas Rotwein fest, das Judith ihr mitgebracht hatte,
nachdem sie es im allgemeinen Tumult aufgegeben hatte, nach ihrem Bruder zu suchen.
Gero stand Schulter an Schulter neben Hannah und hielt in seiner Linken einen großen Steingutkrug mit Klosterbier.
Hannah war aufgefallen, dass er zunächst an dem Bier geschnuppert hatte wie ein Sommelier an einem feinen Rotweinbukett. Erst
nachdem er es augenscheinlich für genießbar befunden hatte, hatte er einen ordentlichen Schluck genommen.
Anschließend gab er ein anerkennendes Brummen von sich und leerte den halben Krug in einem Zug.
Inständig hoffte Hannah, dass er das Gebräu auch vertrug. Beunruhigt beobachtete sie, wie er die Umgebung geradezu in sich
aufzusaugen schien. Neugierig fixierte er die gekreuzten Schwerter und die Schilde an der Wand.
»Habe selten ein so gutes Bier getrunken«, sagte er, nachdem er sich noch einen kräftigen Schluck gegönnt hatte, und nickte
beeindruckt.
Hannah lächelte, als Gero genüsslich den Schaum abschleckte und sich mit dem Unterarm über Mund und Nase fuhr. Als er bemerkte,
dass sie ihn beobachtete, sah er sie entschuldigend an. Normalerweise hatte er erstaunlich gute Manieren. Hannah fragte sich
bereits, seit sie das erste Mal mit ihm an einem Tisch gesessen hatte, woher die Gerüchte stammten, dass Ritter während dem
Mahl ihre Essensreste rücksichtslos hinter sich entsorgten und ungehemmt rülpsten und furzten. In dem Verhalten des Gero von
Breydenbach und seinem Knappen Matthäus von Bruch fand sie jedenfalls nichts von alledem bestätigt.
Der Junge hockte unauffällig im Schneidersitz auf dem Fußboden. Zu Hannahs großem Erstaunen hatte Gero ihm erlaubt, Wein zu
trinken. Es sei üblich, dass man Knaben seines Alters Wein zu trinken |392| gebe, hatte der Templer wie selbstverständlich behauptet. Sogar kleinere Kinder tranken angeblich Wein, allerdings vermischt
mit Wasser. Aus ihrer Zeit in Outremer hatten die Tempelbrüder allerdings auch eine Art Limonade mitgebracht: Wasser mit Zitronensaft,
vermischt mit Honig oder Zucker. Matthäus hatte es ihr erzählt, als sie ihm einen Orangensaft angeboten hatte.
Hannah
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