Das Rätsel der Templer - Roman
erste und einzige, dem ich bis jetzt begegnet bin, der es besser kann als ich.« Anselm versuchte es mit einem
aufmunternden Lächeln. »Kann ich dir etwas zu trinken bringen?« fragte er Hannah dann.
»Ein großes Glas Rotwein bitte«, erwiderte sie prompt. Sie würden später zu Fuß nach Hause laufen. Dann würde sie genug Zeit
haben, um Gero die Leviten zu lesen und sich selbst abzureagieren.
Als Anselm den Raum verließ, grinste Gero sie an. »Ich wollte immer schon mal mit dem Grafen von Jülich trinken.«
Nach anfänglicher Verwirrung hatte er recht schnell begriffen, dass die Leute um ihn herum eine Art Theater aufführten.
Es war das erste Mal seit langem, dass er sich unbeschwert fühlte, vielleicht war es das köstliche Bier, das ihn in diese
Stimmung versetzte, oder die Feststellung, dass es in dieser Welt zwar anders zuging, als er es gewohnt war, es aber trotzdem
noch eine Menge angenehmer Dinge gab, die ihm durchaus bekannt vorkamen.
Im Überschwang seiner Gefühle erschien ihm Hannah noch begehrenswerter. Er hätte sie zu gerne berührt, ihr die dunkelroten
Strähnen aus dem Gesicht gestrichen, und am liebsten hätte er ihre Lippen geküsst. Abrupt wurde er aus seinen Träumereien
herausgerissen.
»Bist du von Sinnen?«, fauchte sie ihn an. »Ich dachte, wir hatten eine Abmachung?«
»Ich bin mein eigener Herr«, erwiderte er schroff und überrascht von ihrer widerspenstigen Art.
|395| Hannah beschlich die Vorstellung, eine Löwenbändigerin zu sein, die mitten in der Manege vor einer Raubkatze steht und Stock
und Peitsche verloren hat.
Bevor Gero noch etwas sagen konnte, war Anselm zurückgekehrt und überreichte ihm einen bis an den Rand gefüllten Bierkrug
und Hannah ein Glas Rotwein. Dann prostete er ihnen gut gelaunt zu, und Gero rezitierte ungerührt einen längeren Text in Altfranzösisch.
Anselm schüttelte sich lachend vor Begeisterung, während Hannah verständnislos dreinschaute.
»Das war ein Fabliaux. Sozusagen ein Blondinenwitz des Mittelalters. Diesen Spruch habe ich allerdings noch nirgendwo gehört.
Ein ziemlich zweideutiger Reim auf trinkende Kerle und keifende Weiber«, klärte der Gastgeber Hannah beinahe verlegen auf.
»Hat einen deftigen Humor, dein Freund. Ich hoffe, du bist nicht böse, wenn ich uns beiden die Übersetzung erspare. Ich bin
mir sicher, er hat es nicht persönlich gemeint.«
Hannah rang sich ein gequältes Lächeln ab. Wenn es so weiterginge, würden sich ihre schlimmsten Alpträume bewahrheiten.
Ein junger Mann, der eine braune Pumphose und ein schwarzes Kapuzenhemd trug und seine dünnen, hellblonden Haare zu einem
mickrigen Zöpfchen zusammengebunden hatte, trat an Anselm heran und beschwerte sich leise aber unmissverständlich darüber,
dass er sich nicht genug um seine anderen Gäste kümmerte.
Hannah horchte auf, als Anselm dem Mann etwas zuraunte: »Schau dir mal den Typen neben mir an, Stefan. Kannst du dir vorstellen,
dass jemand ausschließlich Altfranzösisch und Mittelhochdeutsch spricht und sich perfekt im Schwertkampf auskennt? Er muss
ein absoluter Freak in der Branche sein.« Anselms Augen nahmen einen glitzernden Ausdruck an.
Sein Freund warf Gero nur einen argwöhnischen Blick zu und wandte sich ohne Kommentar ab.
»Entschuldigt mich einen Augenblick«, sagte Anselm zu Hannah und Gero. »Ich muss ein paar Gäste begrüßen. Wollt ihr nicht
etwas essen?«
Hannah reichte Gero und dem Jungen Plastikteller und Besteck. Ein herber Stilbruch angesichts dieses Ambientes, wie sie fand.
Eingehend betrachtete der Templer erst das Messer und dann die |396| Gabel, die er unbeholfen in einer Hand hielt. Nachdenklich senkte er seine Lider, bevor er Hannah mit schmerzlichem Blick
anschaute. »Es hat sich doch mehr verändert, als ich glaubte«, bemerkte er leise. »Wenn man vom Bier und den schönen Frauen
einmal absieht«, fügte er wehmütig lächelnd hinzu.
Gero hatte sich für eine Scheibe Rindfleisch und ein Stück Brot entschieden. Als sie sich an einem der freien Tische niederließen,
hätte jeder sie für eine kleine Familie halten können.
Matthäus legte eine Vorliebe für Bratkartoffeln mit Speck an den Tag, ein Gericht, das er bisher nicht gekannt hatte. Die
Kartoffel war erst im fünfzehnten Jahrhundert nach Europa gelangt.
Hannah war nicht entgangen, dass einige der Gäste erstaunt aufblickten, als Gero und Matthäus sich vor dem Essen bekreuzigten
und eine ganze Weile die
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