Das Rätsel der Templer - Roman
Größe eines
Boxringes. Das Publikum, das bereits einen recht alkoholisierten Eindruck machte, drängte sich an die Absperrung.
Verzweifelt schaute Hannah sich um, ob sie Gero irgendwo entdecken konnte. Plötzlich tat sich zwischen den Menschen eine Gasse
auf. Zwei Männer in Kettenhemden und mit farbigen Überwürfen, auf denen verschiedene Wappen aufgenäht waren, betraten den
Ring. Jeder von ihnen hielt ein Schild in der einen Hand und in der anderen ein Schwert. Auf dem Kopf trugen sie eiserne Helme
mit schmalen Sichtschlitzen. Obwohl Hannah sein Gesicht nicht erkennen konnte, wusste sie genau, wer von beiden Gero war.
Sie spürte, wie ihr schwindlig wurde und ein flaues Gefühl in ihren Magen kroch. Wo, zum Teufel, steckte Matthäus?
Rücksichtslos bahnte sie sich ihren Weg durch die Menge, um zu Judith zu gelangen. Sie war die Einzige, die diesen Wahnsinn
noch stoppen konnte.
»Sag deinem Bruder, er soll sofort damit aufhören, die Sache ist viel zu gefährlich«, rief sie ihr aus einiger Entfernung
zu. Doch Judith winkte nur lachend ab.
|399| Das Geräusch der aufeinander prallenden Stahlklingen löste bei Hannah Panik aus. Was wäre, wenn Gero Anselm erschlug? Wie
sollte er wissen, dass man heute nach anderen Regeln kämpfte als hunderte Jahre zuvor. Sie wusste nicht viel über mittelalterliche
Turniere, aber genug, um sagen zu können, dass es ab und an Tote gegeben hatte.
Der feinkörnige Kies, der fast den gesamten Hof bedeckte, schien kein idealer Untergrund für einen Schwertkampf zu sein. Mit
jedem zweiten Ausfallschritt, den Gero machte, spritzten die schwarzen Steinchen wie kleine Geschosse hoch.
Anselm hatte Mühe, seinem außerordentlich wendigen Gegenüber auszuweichen. Selbst Hannah konnte sehen, dass er Gero gnadenlos
unterlegen war.
Die Schläge prasselten mit einer solchen Wucht und Geschwindigkeit auf sein Schild, dass Anselm ihnen kaum etwas entgegensetzen
konnte.
Das Publikum jubelte, doch Hannah überfiel eine bleierne Angst. Wenn ein Unglück geschah, würde das Chaos perfekt sein. Wie
sollte sie eventuellen Ermittlungsbehörden klar machen, wer Gero war und warum er sich nicht zurück gehalten hatte?
Anselm versuchte schwer keuchend auszuweichen. Dann zog er plötzlich den Helm vom Kopf und warf ihn zu Boden. Er wirkte völlig
erschöpft.
Gero schien einen Moment zu zögern, ob er nachsetzen sollte, um seinen Kontrahenten außer Gefecht zu setzen, aber dann tat
er es Anselm nach und entledigte sich ebenfalls seines Helmes und der gepolsterten Bundhaube.
Die Zuschauer johlten vor Begeisterung.
Stefan, Anselms blonder Freund, tauchte unvermittelt neben Hannah auf.
»Sag, was ist dein Freund für einer?«, fragte er unwirsch. »Europameister im Schwertkampf?«
»Wenn du mir einen Gefallen tun willst, redest du nicht so einen Unsinn daher, sondern siehst zu, dass die beiden endlich
aufhören«, erwiderte Hannah zornig.
»Liebend gern, aber da kennst du Anselm schlecht. Der hört erst auf, wenn einer am Boden liegt.«
|400| Hannah sah mit klopfendem Herzen zu, wie Gero mit einem gezielten Schlag das Schwert von Anselm so traf, dass es in der Mitte
zerbrach. Wie von einem elektrischen Stromstoß durchfahren, ließ Anselm das Heft des Schwertes fallen, dabei verlor er das
Gleichgewicht und stürzte. Ein Aufschrei ging durch die Menge. Mit schmerzverzerrter Miene hielt Anselm sich den Arm.
Gero ging – immer noch sein Schwert in der Linken haltend – zu ihm hin und streckte ihm seine rechte Hand entgegen, um ihm
aufzuhelfen.
Hannah atmete erleichtert auf, als Anselm zu Gero aufschaute und ihn, wenn auch erschöpft, anlächelte.
Die Zuschauer spendeten anerkennenden Beifall.
»Großer Gott«, keuchte Anselm atemlos. Von unten herauf schenkte er Gero einen ehrfürchtigen Blick und wischte sich den Schweiß
aus den Augen. »In dir habe sogar ich noch meinen Meister gefunden. Gibst du Unterricht?«
»Nein, das tut er nicht!« Hannah hatte sich nun bis zu den Kontrahenten vorgeschoben. »Zieh das Gewand aus!«, fauchte sie
Gero an. »Wir gehen!«
Gero wandte sich ganz langsam um und bedachte sie mit einem Blick, der sowohl Belustigung als auch Verärgerung verriet. Seine
Augen funkelten sie an, und er richtete sich zu voller Größe auf, immer noch die Waffe im Anschlag.
Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück, als er auf sie zu trat.
»Frau, ich wüsste nicht, dass ich dir das Wort erteilt hätte«, sagte er in schönstem
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