Das Rätsel der Templer - Roman
jetzt eine Reise machen, Bruder Gerard«, murmelte er verschwörerisch.
»Wie soll ich das verstehen?« Gero sah ihn entgeistert an.
»Wir werden gemeinsam in das Jahr 1268 nach der Fleischwerdung des Herrn eintauchen und dafür Sorge tragen, dass der zweite
Sohn |493| König Philipps III. von Franzien und seiner Gemahlin Isabella von Aragon niemals das Licht der Welt erblicken wird.«
Gero spürte, wie es ihm kalt den Rücken hinunterlief. »Wie soll das gehen?«
»So wie ich es sagte«, blaffte Rowan. »Ihr seid ein Templer, und ihr habt Gehorsam geschworen. Und ich befehle Euch, mich
zu begleiten und zu tun, was ich Euch sage!«
»Bei allem Respekt, Sire«, Geros Stimme klang beinahe flehentlich, »Ihr wisst, dass ich die Verantwortung für drei Menschen
trage, die ich nicht einfach hier zurück lassen kann und darüber hinaus … Ich bin ein Templer, ja, aber ich bin kein Assassine.
Ich werde weder Frauen noch Kinder töten, um ans Ziel zu gelangen.«
Im grünlichen Zwielicht des Hauptes nahm Rowans Profil diabolische Züge an. »Zur Rettung des christlichen Abendlandes ist
kein Preis zu hoch, Bruder Gerard. Vergesst das nie! Es geht hier um etwas viel Größeres als um Eure Ehre.«
»Nein«, erwiderte Gero entschlossen. »Niemals!«
Plötzlich hob Rowan das Jagdmesser in seiner Rechten wie zu einer Drohung und sah Gero mit schmalen Lidern an.
»Ich muss mich sehr wundern, Bruder Gerard«, zischte er. »Als Ritter des roten Kreuzes solltet ihr eigentlich wissen, dass
man jederzeit bereit sein muss, sein Gewissen zu opfern, wenn es um das Überleben der Christenheit geht.«
»Ich habe genug gesehen, um zu wissen, dass das Überleben der Christenheit nicht auf dem Spiel steht«, erwiderte Gero trotzig.
»Ihr wisst gar nichts!«, erklärte Rowan kalt. »Ich frage mich ernsthaft, wie Euer Komtur Euch für eine solch verantwortungsvolle
Aufgabe auswählen konnte? Die Geburt Philipp IV. zu verhindern ist die einzige Möglichkeit, die zukünftige Welt nachhaltig
zu verändern und nicht nur den Orden mit all seinen kühnen Plänen zu retten. Dabei ist es nicht nur wichtig, die Existenz
Philipps IV. zu vernichten sondern auch die seiner Mutter, damit sie keine Gelegenheit hat, einem zweiten oder dritten Bastard
das Leben zu schenken, der möglicherweise ähnliche Absichten entwickelt wie ihr erstgeborener Sohn.«
Gero schüttelte den Kopf. »Und wenn es noch so sinnvoll erscheint, so etwas zu tun«, flüsterte er, »unser Orden wäre für mich |494| nicht mehr derselbe, wenn ich so etwas zuließe, geschweige denn daran beteiligt wäre.«
»Gut«, beschied Rowan mit schmalen Lippen, »dann gehe ich allein. Auf die Hilfe eines Tölpels, wie Ihr einer seid, kann ich
verzichten.« Mit düsterer Miene wandte er sich um und legte seine Linke in den grünblauen Nebel.
Gero sprang hinzu und riss den grauhaarigen Bruder zurück. »Bei allen Heiligen«, keuchte er, »das dürft Ihr nicht tun!«
Ehe er sich versah, zückte Rowan erneut das Messer und stach auf ihn ein.
Statt sich zu verteidigen, ließ Gero vor Verblüffung die Fackel fallen. Rowan war groß und nicht weniger kampferfahren als
er selbst. Verzweifelt bemühte sich Gero, den tödlichen Stichen zu entgehen. Doch Rowan kannte keine Gnade, und dass er ihn
töten wollte, stand außer Frage.
Immer wieder attackierte ihn der Bruder des Hohen Rates. Gero versuchte Rowans Hand abzufangen, in der er das Messer hielt.
Dabei zog er sich eine tiefe Schnittverletzung am Unterarm zu, die ihn schmerzerfüllt zurückzucken ließ. Beim nächsten Hieb
duckte er sich, und während er zu Boden ging, streckte er sein Bein aus und brachte Rowan in seiner langen Kutte zu Fall.
Geistesgegenwärtig packte er das Handgelenk des Bruders und hielt so das Messer auf Abstand.
Mit unglaublicher Kraft mühte sich Rowan, sich Geros Griff zu entwinden. Für einen Moment sah es aus, als ob Gero unterliegen
würde. Doch plötzlich geriet Rowan zu nahe an die Fackel, und der weite Ärmel seines Habits fing Feuer.
Gero ließ seinen Widersacher augenblicklich los, und Rowan begann wie ein Berserker um sich zu schlagen. Mit einem Ruck warf
Gero ihn auf die Seite, um selbst den Flammen zu entgehen.
Im Nu brannte Rowans Habit lichterloh, und während Gero mit seiner eigenen Kutte, die er hastig ausgezogen hatte, auf das
Feuer einschlug, fasste sich Rowan unter wilden Zuckungen an den Hals. Darin steckte das Jagdmesser, das er Gero zuvor ins
Herz hatte
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