Das Rätsel der Templer - Roman
Zukunft gelandet war? Genau betrachtet schien es gar nicht so unwahrscheinlich. Schließlich musste ja irgendwer
im Orden Einblick haben, wozu und wie man das Haupt der Weisheit gebrauchen konnte.
Ausführlich begann er zu erzählen, was er in den vergangenen Tagen erlebt hatte – oder sollte er besser sagen – in den nachfolgenden
Jahrhunderten?
Erstaunt war er, dass Bruder Rowans Gesichtsausdruck eher ungläubig denn wissend wirkte, als er mit seiner Geschichte endete.
»Das soll ich Euch glauben?«
»Wenn nicht Ihr, wer dann?« Gero spürte Verzweiflung in sich aufsteigen.
|491| »Und wie stand es um den Orden?«, fragte Rowan in einem Tonfall, als hätte Gero ihm soeben einen Bären aufgebunden. »Ich meine,
was weiß man über dessen Schicksal in siebenhundert Jahren.«
»Der Orden, so wie wir ihn kennen, existiert in dieser Zeit nicht mehr«, erwiderte Gero. »Das bedeutet, unter den momentanen
Bedingungen wird er nicht überleben. Erst recht nicht, wenn es dem Papst einfällt, ihn nachträglich zu verbieten.«
»Eure Erlebnisse sind ein weiteres Argument dafür, dass wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen«, murmelte Rowan
düster.
»Bei allem Respekt, Sire«, bemerkte Gero verstört. »Was geht hier vor?«
Rowan nahm eine Kutte der Zisterzienser von einem Wandhaken und hielt sie Gero hin. »Zieht das an!«, befahl er ohne ein Wort
der Erklärung.
Gero nahm all seinen Mut zusammen. »Was wird aus den Leuten, die mit mir aus der Zukunft hier angelandet sind? Werden wir
Ihnen zur Rückkehr verhelfen können?«
»Dazu haben wir keine Zeit«, erwiderte Rowan schroff. »Außerdem sind sie, nach allem was Ihr mir berichtet habt, nicht eingeweiht.
Ihr habt einen Auftrag zu erfüllen, Bruder Gerard. Nichts sonst. Sie werden sich schon zurechtfinden. Und jetzt folgt mir!«
Obschon Widerstand in ihm aufkeimte und er eine maßlose Enttäuschung spürte, erhob sich Gero in soldatischem Gehorsam. Als
er sein Wams auszog, fiel Rowans Blick auf den Messergürtel.
»Euren Gürtel werdet Ihr einstweilen hier lassen können«, bemerkte er. »Dort, wo wir hingehen, bedarf es anderer Waffen.«
Irritiert schnallte Gero den Gürtel ab und schlüpfte widerwillig in die kratzige Wollkutte.
»Und nun führt mich zum Haupt!«, sagte Rowan mit schneidender Stimme.
Zögernd öffnete Gero die Tür, die in den Kreuzgang führte. Noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er Rowan, nachdem
er ihm zu Willen gewesen war, von seinen eigenen Notwendigkeiten überzeugen konnte.
Über den Weinkeller unter dem Refektorium gelangten sie zum Kanal.
|492| Rowan beleuchtete mit seiner brennenden Fackel die Umgebung, um sicherzustellen, dass ihnen auch niemand gefolgt war. Dann
tauchte er zusammen mit Gero ins Dunkel des Kanals ein. Keuchend hielt er sich die Hand vor den Mund. Gero, der den Geruch
bereits gewöhnt war, ging bereitwillig voran. Vor der Kammer angelangt, sah er sich suchend um. Ihm fehlte sein Messer, mit
dem er den Lehm aus der Wand brechen konnte, um den Türgriff freizulegen. Rowan, der augenscheinlich ahnte, was Gero vorhatte,
zückte unter seinem Gewand ein langes Jagdmesser, das er ihm ohne Worte übergab.
Gero befreite den metallenen Griff zügig von getrocknetem Lehm und kleinen Steinen, ganz so, wie Anselm es zuvor in der Zukunft
getan hatte, dabei betete er still, dass das Haupt der Weisheit sich noch an seinem Platz befand. Unaufgefordert gab er Rowan
das Messer zurück und schob mit einiger Kraft die geheime Tür auf.
Bruder Rowan blickte sich staunend um, als er vor Gero den mit glatten Granitsteinen ausgekleideten Raum betrat. Dem Anschein
nach war er nie zuvor hier unten gewesen.
Alles befand sich an seinem Platz, genauso, wie Gero es in der Zukunft vorgefunden hatte.
Bis auf eins. Der Tote, der einer Mumie gleich auf dem Boden gelegen hatte, fehlte.
»Das Losungswort«, sagte Rowan kühl. Sein Blick ruhte ungeduldig auf dem flachen, metallenen Artefakt.
Gero räusperte sich, bevor er mit fester Stimme das »Laudabo Deum meum in Vita mea« sang.
Rowan schreckte erstaunlicherweise nicht zurück, als sich die kleine Kiste unvermittelt mit einem Klick öffnete und nur wenig
später der schimmernde Kopf erschien. Während sich das grünbläuliche Licht schemenhaft zu fünf Fingern formierte, sah er Gero,
dem er zuvor die Fackel übergeben hatte, von der Seite her an. Ein sonderbarer Glanz spiegelte sich in seinen Augen.
»Wir beide werden
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