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Das Rätsel der Templer - Roman

Titel: Das Rätsel der Templer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verspürte Gero die tiefe Zuneigung, die er für den Jungen, aber auch für Hannah und all seine Freunde empfand. In
     seinen Augen gab es nichts Heiligeres als die Liebe – ob gegenüber einem Kameraden, einer Frau oder einem Kind. Warum hatte
     er es zugelassen, dass ihm nur das erste geblieben war? Und warum war es eine Sünde, mehr zu verlangen? Wer bestimmte die
     Regeln? Der Heilige Bernhard? Gott? Wo stand geschrieben, dass ein Mann nur ein frommer Mann ist, wenn er auf die Liebe einer
     Frau und die Freuden, die eine Familie mit sich bringt, verzichtete? Vielleicht war es kein Zufall, gerade jetzt, wo der Orden
     seinem Ende entgegensteuerte, dass Gott ihm eine Erleuchtung in Form dieser phantastischen Reise hatte zukommen lassen. Und
     mit einem Mal war es nicht mehr die Sehnsucht nach einem Leben voller Kampf und Ehre, die ihn trieb. Nein, eine eigene Familie
     war das, was er sich sehnlichst wünschte. Kinder und ein bescheidener Besitz, der allen das Auskommen sicherte. Frieden.
    Gero schloss die Augen und begann zu beten. Ob sich seine Wünsche jemals erfüllen sollten, war ungewiss – und allem Anschein
     nach nicht sehr wahrscheinlich.
     
    »Wo ist Bruder Rowan?«, fragte Abt Johannes streng, nachdem Gero dessen Amtszimmer betreten hatte, um sich zu verabschieden.
     Mit einem raschen Blick hatte der Abt Geros Verletzung registriert.
    |504| »Er ist abgereist«, log Gero. »Noch gestern Nacht, und er hat es vorgezogen, dabei auf meine Gesellschaft zu verzichten.«
    Der Abt nickte. »Es ist eine Sache unter Euresgleichen, und es geht mich nichts an, was hier geschieht«, sagte er, und wie
     zur Selbstrechtfertigung für seine Unwissenheit fügte er hinzu: »Wir Zisterzienser waren in dieser Angelegenheit immer nur
     das Nest für die Eier. Das Ausbrüten ist und bleibt dem Tempel überlassen.«
    »Wir müssen schleunigst verschwinden«, flüsterte Gero einige Zeit später Anselm zu, als er ihn mit einem sanften Rütteln aus
     dem Schlaf holte.
    Ungläubig blinzelte Anselm ihn an. »Verdammt«, entfuhr es ihm. »Du bist tatsächlich echt.« Während er sich leise stöhnend
     von seinem harten Lager erhob, sah er sich staunend um. Im ersten Moment hatte er offenbar die Orientierung verloren und gedacht,
     er habe das alles nur geträumt. Fassungslos wanderte sein Blick durch den schmucklosen Schlafsaal.
    Das gelbe Morgenlicht schimmerte durch die dünnen, mit Öl getränkten Pergamente, welche die schmalen Fenster bedeckten. In
     Reih und Glied standen darunter die aufgedeckten Betten der Mönche. Mitten hindurch führte ein Gang, der zwei große Flügeltüren
     miteinander verband. Die Luft war stickig.
    Mit einer Mischung aus Neugier und Entsetzen betrachtete Anselm Geros Kleidung. Er trug einen braunen, wadenlangen Kapuzenumhang,
     den er aus Gründen der Tarnung einem der vielen Laienbrüder abgekauft hatte.
    »Kommt jetzt«, sagte Gero und schlug sich leise auf die Schenkel, bevor er sich endgültig erhob.
    Gemeinsam mit Anselm und Matthäus trat er wenig später ins Freie.
    Matthäus hüpfte ungeduldig hinter ihnen her, weil ihn ein dringendes Bedürfnis plagte. Die kalte Luft verschlimmerte sein
     Drängen, und Gero zeigte ihm unter dem heiligen Versprechen, dass er nicht ohne ihn abreisen würde, wo er hinlaufen musste,
     um sich zu erleichtern.
    Im Frühnebel erhoben sich ein paar Krähen kreischend von einer großen Buche, deren gelbliche Blätter den nahenden Winter ankündigten.
     Anselm sah fasziniert hinter den Vögeln her.
    |505| »So wie es aussieht«, bemerkte Gero zögernd, »werden Hannah und du vorerst mit meiner Gesellschaft vorlieb nehmen müssen.
     Ich sehe zurzeit keine Möglichkeit, euch in eure Welt zurückzubringen.«
    Anselms Blick wirkte unsicher, und Gero fragte sich, wie der Mann aus der Zukunft sein Schicksal aufnehmen würde. Ihm selbst
     hatte es beinahe den Verstand gekostet, als es zunächst geheißen hatte, dass er vielleicht niemals in seine Zeit zurückkehren
     durfte.
    »Es gibt sicher schlimmeres«, erwiderte Anselm mit einem fatalistischen Lächeln. Vielmehr als sein unerwartet hartes Schicksal
     schienen ihn die eigenen Atemwölkchen zu interessieren, die unaufhörlich aus seinem Mund aufstiegen. »Es ist alles echt«,
     flüsterte er immer noch ungläubig.
    »Wir werden zunächst zur Komturei von Brysich reisen«, fuhr Gero unbeeindruckt fort. »Dort will ich in Erfahrung bringen,
     ob man schon weiß, was zwischenzeitlich in Franzien geschehen ist.

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