Das Rätsel der Templer - Roman
seidigen rotbraunen Haare, die festen Brüste – wie unter einem Zwang zog er sie an sich.
»Weib«, seufzte er. »Und wenn ich dich nie wieder berühren dürfte, so gehört dir mein Herz auf ewig.«
»So etwas hat noch nie jemand zu mir gesagt«, flüsterte sie. »Aber wenn ich es einem glaube, dann dir.«
»Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als in deiner Nähe zu sein«, flüsterte er weiter, während er begann, mit ihrem
Haar zu spielen. »Jeden Tag und nachts, wenn du schläfst, bis zum Ende meiner Zeit.«
»Wer hindert dich daran?«, erwiderte Hannah lächelnd und legte sich zurück ins Kissen.
Gero beugte seinen Kopf zu ihr hinab und berührte mit seinen Lippen ihr Ohr. »Ich bin Templer«, antwortete er rau, »daran
lässt sich nun mal nichts ändern. Und abgesehen davon, dass ich ein Gelübde abgelegt habe, unverheiratet zu bleiben, ist es
mit meiner Zukunft, so wie es aussieht, nicht so weit her. Der Orden ist so gut wie am Ende. Und ich trage nun eine Mitschuld
daran, dass dieses Schicksal womöglich nicht mehr umkehrbar ist. Selbst wenn die Hatz des Königs von Franzien sich nur auf
die Ränder der deutschen Lande ausdehnt, kann es sein, dass man nach mir sucht. Wenn dabei ans Tageslicht kommt, dass ich
Soldaten des königlichen Geheimdienstes getötet habe, werde ich als Christenmörder geächtet sein. Dann ist nicht einmal mehr
meine Familie vor Entehrung und Verfolgung sicher. Ein Ketzer bin ich ohnehin schon, wenn es nach Philipp IV. und dem Papst
geht. Und selbst wenn das Schicksal Gnade walten lässt und sich niemand für meinen Verbleib interessiert, bleibt mir als Zweitgeborener
höchstens die Möglichkeit unter falschem Namen dem Deutschen Orden beizutreten. Das bedeutet, Abmarsch in den Osten des Landes,
wo man nur im Winter reisen |502| kann, weil nur dann die Sümpfe passierbar sind.« Schnaubend schüttelte er den Kopf. »Kannst du mir verraten, wie ich bei solchen
Aussichten für eine Frau sorgen soll, die noch dazu aus einer kaum vorstellbar fernen Zukunft stammt?«
»Bei uns gibt es einen passenden Spruch«, antwortete Hannah gefasst. »Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein
Lichtlein her.«
»Das kenne ich«, erwiderte Gero überrascht »Wenn ich als kleiner Junge verzweifelt war, beruhigte mich meine Mutter immer
mit dem Spruch:
›Wænest du, ez engât niemer mêr, kümmet eteswâ ein lihtlîn her.‹«
»Siehst du? Soviel trennt uns gar nicht«, sagte Hannah und schob sich näher an sein Gesicht heran. Sie hob ihren Kopf und
küsste ihn sanft.
»Nein, nur siebenhundert Jahre und meine närrische Einfältigkeit«, entgegnete er leise. Lächelnd erwiderte er ihren Kuss.
»Wenn für Gott tausend Jahre wie ein Tag sind«, fuhr sie flüsternd fort, »sind siebenhundert Jahre wohl kaum der Rede wert.«
28
Donnerstag, 19. Oktober 1307 – Brysich – Hauptsitz der Templer im Rheinland
Früh am Morgen schlich Gero zurück ins Dormitorium. Nach den nächtlichen Vigilien waren die Mönche nochmals in einen tiefen
Schlaf gefallen.
Auch Anselm lag auf dem Rücken und schnarchte leise. So wie es aussah, hatte er von den Stundengebeten der Brüder nichts mitbekommen.
Erschöpft ließ Gero sich auf seiner unbequemen Pritsche nieder. Anders als Anselm hatte er die ganze Nacht kein Auge zugetan.
Nachdem er Hannah geliebt und sie im Arm gehalten hatte, bis sie eingeschlafen war, kreisten seine Gedanken wieder und wieder
um die Geschehnisse des Abends.
Die Existenz des Hauptes und die Bewandtnis, die es damit auf sich |503| hatte, war für sich allein gesehen schon ungeheuerlich genug. Die Forderung Bruder Rowans jedoch, mit ihm in der Zeit zurückzugehen
und die zukünftige Mutter Philipps IV. zu töten, erschien ihm wie ein Auftrag aus der Hölle. Gero versuchte sich auszumalen,
wie Struan und Johan sich verhalten hätten, wenn sie unvermittelt mit all diesen unglaublichen Dingen konfrontiert worden
wären. Immer noch stellte er sich die Frage, wie der Orden überhaupt in den Besitz des Hauptes gelangen konnte und ob d’Our
tatsächlich in die Pläne Rowans eingeweiht gewesen war.
Sein Blick fiel auf Matthäus, der sich auf dem Bett neben Anselm in eine grobe Wolldecke gerollt hatte. Gero dankte dem Herrn,
dass nicht nur sein Verstand, sondern auch sein Herz die richtige Entscheidung getroffen hatte. Niemals hätte er den Jungen
wegen einer solch schändlichen Mission schutzlos zurücklassen können.
Deutlich
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