Das Rätsel der Templer - Roman
Bericht wartet, werden wir
nächsten Mittwoch erneut zusammentreffen. Ich hoffe doch sehr, Mr. Stevendahl, dass Sie und Ihre Kollegen bis dahin die technischen
Komponenten unseres Fundes erhellen können.«
Tom nickte abwesend. Nun rächte es sich, dass er so stur gewesen war und jeglichen Austausch mit dem Templer auf ein Minimum
reduziert hatte. Den Gedanken, dass es ihm wohlmöglich nicht gelingen sollte, Hannah wohlbehalten zurück in die Gegenwart
zu transferieren, schob er beiseite.
30
Freitag, 20. Oktober 1307 – Breydenburg – das Bekenntnis
Am nächsten Morgen beschaffte Gero zunächst einen neuen Reiseüberwurf für Hannah. Dankbar nahm sie das Kapuzen-Cape aus blauem
Samt entgegen, ohne zu fragen, woher es stammte. Als er ihr beim Schließen der silbernen Tassel half, betrachtete sie stumm
den Siegelring an seiner Rechten, den er seit ihrem Besuch auf der Ruine nicht mehr abgelegt hatte.
»Du bist ein Schatz«, flüsterte sie und küsste Gero flüchtig, bevor sie ihm zusammen mit Anselm und Matthäus in den Rittersaal
folgte.
In seinem weißen Templerornat war Gero die Attraktion der morgendlichen Versammlung. Hannah entging nicht, dass ihn Männer
wie Frauen, Soldaten wie Gesinde regelrecht anstarrten. Der ein oder andere Uniformierte sprach ihn im Vorübergehen an und
wechselte ein paar Worte mit ihm, doch sie redeten zu schnell und zu leise, als dass Hannah etwas davon hätte verstehen können.
Gegen Vormittag ließ es sich Wilhelm von Eltz nicht nehmen, seinen |537| Neffen und dessen Freunde persönlich zu verabschieden und sie zu den bereits gesattelten Pferden zu begleiten.
Auf dem Weg in die unteren Gemächer hatte man durch ein offenes Fenster im Treppenabgang einen Ausblick auf die Festungsmauern.
Soldaten patrouillierten im kühlen Morgenwind hoch auf den Wehrgängen unter dem geräuschvoll flatternden Banner des Erzbischofs
von Trier. Hannah, die nicht wusste, wo sie ihren Blick zuerst hinwenden sollte, schien alles überraschend durchdacht und
zivilisiert.
Auf dem gepflasterten Innenhof bot sich ihr jedoch ein unerwartetes Bild des Grauens.
»Mein Gott«, flüsterte Hannah ungläubig und rang nach Luft.
Der nackte, blutüberströmte Leichnam ihres Angreifers hing an einem Haken neben dem Burgtor. Der unsägliche Schmerz, der die
letzten Atemzüge ihres Entführers ohne Zweifel begleitet haben musste, hatte sich tief in seine ausgemergelten Gesichtszüge
eingegraben.
»Schau nicht hin!«, rief Hannah, als sie sah, wie Matthäus mit großen Augen den Toten betrachtete.
Auf dem nass glänzenden Pflaster kauerten drei weitere Gestalten. Einzeln hatte man sie in Eisenkäfige gesperrt, die wie überdimensionale
Kaninchenställe wirkten und keine aufrechte Haltung zuließen. Zwei der Gefangenen trugen Eisenmanschetten um Hals und Handgelenke,
die, verbunden mit einer schweren Kette, kaum Bewegung zuließen. Halbnackt und vor Kälte blau gefroren, hockten die jungen
Männer apathisch in ihrem Gefängnis. Voller Entsetzen starrte Hannah auf den jüngeren der beiden. Er war kaum siebzehn. Eine
mit Blut verkrustete Wunde an der Stirn zog sich bis in den Haaransatz seiner schmutzig blonden Locken hinein. Sein Gesicht
war seltsam geschwollen, und den Rücken zeichneten unzählige Striemen, aus denen zum Teil das rohe Fleisch hervorquoll. Der
zweite Gefangene, ein Kerl mit dunklen, verfilzten Haaren, saß ebenso teilnahmslos auf dem Boden, während er Hannah mit seltsam
leer erscheinenden Augen musterte.
In dem dritten Käfig kauerte eine junge Frau. Ihre blonden Strähnen hatten sich aus dem geflochtenen Haarkranz gelöst, der,
straff um ihren Kopf gelegt, wie eine Dornenkrone erschien. Mit zerrissener |538| Kleidung und nackten Füßen saß sie auf dem Stein und zitterte vor Kälte und Angst. Bei ihr hatte man auf die Eisenketten verzichtet.
Ihre Hände waren stramm auf den Rücken gebunden, und an den aufgeplatzten Lippen klebte geronnenes Blut.
Fassungslos sah Hannah zu Gero auf, der die Gefolterten keines Blickes würdigte.
»Was wird mit ihnen?«, fragte Anselm beklommen, während er seinen Blick nicht von dem Lederbändchen wenden konnte, das ihm
einmal gehört hatte und das nun den abgebundenen Armstumpf des Toten am Haken zierte.
»Auf die wartet der Galgen«, antwortete Gero ohne Mitleid in der Stimme. »Dort wird man sie zur Abschreckung aller hängen
lassen, bis die Krähen ihre Knochen ans Tageslicht bringen.«
»Aber es waren
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