Das Rätsel der Templer - Roman
Fleische erkennen zu dürfen, dich dazu berechtigt, mich wie ein unmündiges Kebsweib zu behandeln.«
Gero verschlug es die Sprache. Was ihm blieb, war ein verlegenes Hüsteln.
»Der Sieg geht an die Dame«, witzelte Johan, der jedes Wort verstanden hatte.
33
Mittwoch, 25. Oktober 1307 – Aufbruch nach Franzien
Vier Tage waren vergangen, seitdem die erzbischöflichen Reiter auf der Breydenburg aufgetaucht waren, vier Tage, in denen
Rotgunde, die Schneiderin der Edelfreien von Breydenbach, und ihre Mädchen gut zwei dutzend Kostüme genäht hatten. Alle waren
bunt und mit Schellen und Glöckchen versehen.
Anselm war begeistert. Nie zuvor war ihm so perfekt handgearbeitete Kleidung untergekommen. Brokat, Samt und Seide. Dafür
hatten die Frauen das Lager geplündert, dessen Stoffe aus Brügge, Paris und Köln stammten. Reiter waren nach Trier entsandt
worden, um Flöten und Fideln zu kaufen, dazu ein paar Trommeln, eine Drehleier und |584| eine Laute. Außerdem hatten die Boten Würfelbecher, Karten zur Weissagung, Fackeln, Kugeln und Kegel beschafft. Das meiste
davon würde nicht zum Einsatz kommen, sondern diente ausschließlich der Tarnung.
Der Wagen, der die Utensilien der Spielleute aufnehmen sollte, wurde eine halbe Meile westlich der Breydenburg auf einem abgelegenen
Lehenshof auf seinen Einsatz vorbereitet.
Auf dem Weg zu den oberen Gemächern begegnete Struan seiner Liebsten, die seit Tagen der Schwermut verfallen war.
Rasch entledigte er sich seiner Plattenhandschuhe, um sie zu umarmen.
Amelie rang sich ein mühevolles Lächeln ab, als er sie in seine Arme zog.
»Wie geht es dir und unserem Kind?«, fragte er sanft.
»Gut«, erwiderte sie mit tränenerstickter Stimme und drückte ihr Gesicht mit einem Schluchzen an seine Brust.
Alarmiert streichelte Struan über ihre Wange. Mit einer Hand hob er ihr Kinn an und schaute ihr besorgt ins Gesicht.
»Amelie, ich bitte dich«, sagte er leise und strich ihr die blonden Locken zur Seite. »Lass uns nach oben gehen, dann reden
wir, ja?«
Sie nickte und folgte ihm Hand in Hand in ihr gemeinsames Schlafgemach, das ihnen die Burgherrin für die Dauer ihres Aufenthaltes
zugewiesen hatte. Amelie rannte weinend die drei Stufen zum gemeinsamen Bett hinauf und ließ sich trotz ihrer Schwangerschaft
bäuchlings in die weichen Kissen fallen.
Struan war sofort an ihrer Seite und setzte sich neben sie, wobei er mit einer Hand zaghaft ihre Schulter berührte.
»Du bist doch sonst immer so stark«, sagte er hilflos. »Denk doch an unser Kind. Was soll es denn von seiner Mutter halten,
wenn sie so traurig ist?«
Zögernd erhob sie sich und strich ihr wirres Haar zurück, während sie Struan mit rotgeränderten Augen ansah.
»Und was ist mit seinem Vater?«, stieß sie anklagend hervor. »Warum gehst du zurück in diese Hölle, wo man dich sucht? Diese
Mission ist des Teufels. Denk daran, was uns in diesem schrecklichen Wald widerfahren |585| ist! Dein Ordensbruder und sein Knappe sind verflucht, und seine Begleiter sind es ebenso. Verdammt, Struan, wenn Gero und
seine Begleiter ins Verderben gehen wollen, lass sie ziehen. Die franzischen Soldaten werden euch töten, wenn sie euch schnappen!«
»Es geht hier weder um Gero noch um seine Begleiter«, verkündete der Schotte leidenschaftlich. »Es geht um unseren Orden und
unsere Brüder in Franzien, die hilflos der königlichen Geheimpolizei ausgeliefert sind. Von Beginn an habe ich dir gesagt,
dass ich alles tun werde, um Schaden von unserem Orden und auch von unserem Komtur abzuwenden. Erst dann kann ich um eine
ehrenvolle Entlassung bitten, damit ich dich vor Gott dem Allmächtigen zu meiner Frau nehmen kann.«
»Was nützt uns das jetzt noch!«, rief sie mit sich überschlagender Stimme. »Du bist geächtet. Unter deinem richtigen Namen
brauchst du ohnehin nirgendwo mehr aufzutauchen. Richard von Breydenbach ist ein mächtiger Mann. Er könnte dir ohne weiteres
zu einem neuen Namen verhelfen, und dann könnte ich sofort deine Gemahlin werden.«
Sie rückte näher an ihn heran und faltete die Hände wie zu einem Gebet.
»Bitte, Struan«, flüsterte sie mit bebenden Lippen. »Ich flehe dich an. Geh nicht mit Gero nach Franzien! Mir und unserem
Kind zuliebe!«
Beim Anblick ihrer mit Tränen erfüllten Augen brach es Struan schier das Herz. Doch er konnte ihrem Wunsch nicht nachgeben.
Er hatte dem Orden einen Eid geschworen und war somit gezwungen, alles zu tun, was zu
Weitere Kostenlose Bücher