Das Rätsel der Templer - Roman
Ziegenbälgern gekauft hatte, machte die
Runde, und die Stimmung war trotz der düsteren Umstände so gelöst wie lange nicht mehr.
»Also«, begann Gero, der sich mit seinen Gefährten auf einem umgestürzten Baumstamm niedergelassen hatte. »Der Medicus wohnt
unweit der Eglise Saint Maurice. Madame Fouchet erklärte mir, dass er üblicherweise dort weilt, wenn er keinen Dienst auf
der Festung tun muss. Aber auch das geschieht meist nur zu vorher abgesprochenen Zeiten. Abends hingegen ist er immer zu Hause,
und an den meisten Tagen nutzt er seine freie Zeit, um sich im Freudenhaus zu besaufen und sich von einem ihrer Mädchen …«
Er hielt inne und hüstelte, während er sich kurz zu den Frauen umdrehte. »Ihr wisst, was ich meine«, sagte er mit einem leisen
Grinsen an die Männer gerichtet. »Er ist unverheiratet und wird von einer alten Magd bekocht, die gewöhnlich kurz nach der
Vesper das Haus verlässt und erst am nächsten Morgen wieder kommt. Wir haben also etwas Zeit, ihn davon zu überzeugen, dass
er uns ein Entschuldigungsschreiben für seine Unpässlichkeit verfasst.« Gero setzte eine harmlose Miene auf, bevor er fortfuhr.
»Morgen wird er sich ausnahmsweise schon in der Frühe ins Reich der Träume katapultieren. Und das mit unserer Mixtur aus |660| Opium, Alraune, Stechapfel und anderen Köstlichkeiten, die wir ihm gefälligerweise ins Haus liefern. Bis hierhin alles verstanden?«
Struan nickte, während er sich mit der Spitze seines Dolches einen Apfelkern aus den Zähnen pulte.
Anselm fror, obwohl es gar nicht so kalt war. Johan hingegen kaute gelassen an seinem letzten Pfannkuchen.
»Und nun zu dir, Bruder«, sagte Gero, während er Anselm ansah. »Der weitere Verlauf der Geschichte hängt von deinen Talenten
ab.«
Anselm nickte stumm. »Ich habe den ganzen Vormittag überlegt, wie ich die Sache angehe«, sagte er. Seine Stimme bebte vor
Aufregung. »Ich werde also in dem Haus des Medicus warten, bis sie jemanden von der Burg schicken, der nach mir ruft. Aber
was ist, wenn die alte Magd am Morgen kommt und mich in dem Haus vorfindet? Sie kennt mich doch gar nicht.«
»Das habe ich schon geregelt«, sagte Gero ruhig. »Madame Fouchet hat einen Botenjungen, Frydel, ich habe ihm gestern Morgen
bei unserer Abreise ein paar unserer Jonglierbälle geschenkt. Für Geld überbringt er so gut wie jede Botschaft. Ich werde
ihn noch vor Eintreffen der Magd damit beauftragen, zu ihrem Haus zu gehen und ihr zu sagen, dass unser guter Medicus wegen
seiner Trunkenheit nicht in der Lage ist, sie zu empfangen und sie im Laufe des Tages nicht zu sehen wünscht. Wenn wir diese
Nachricht mit einem gewissen Obolus versehen, werden beide, Botenjunge und Magd, nach unserer Pfeife tanzen.«
»Sehr gut«, sagte Anselm ein wenig beruhigter. »Sobald ich die vermeintlich Toten zu Gesicht bekommen habe, werde ich also
sagen, dass offenbar ein unbekanntes Siechtum zu ihrem Tod geführt hat, das allem Anschein nach aus dem Orient zu uns vordringt,
und dass es ratsam ist, die Leichen unverzüglich der Sonne auszusetzen.«
»Genau«, befand Gero und schaute prüfend in die Runde, bevor sein Blick zu Anselm zurückkehrte. »Ich hoffe, dir mangelt es
nicht an Überzeugungskraft. Und falls dich jemand fragen sollte, woher du unseren Medicus kennst, sag einfach, du stammst
aus den deutschen Landen und hast eine Weile mit ihm in Tours studiert. Du weilst bei ihm zu Besuch, und er bat dich, ihn
zu vertreten.«
Anselm sah Gero staunend an. »Ich wusste gar nicht, dass es damals in Tours schon eine Universität gab.«
|661| »Gatien, Bischof der Stadt Caesarodunum, die man später Tours nannte, gründete vor hunderten von Jahren die medizinische Fakultät«,
gab Gero betont lässig zurück.
Anselm war einen Augenblick sprachlos. Wie schon so oft auf dieser schicksalhaften Reise musste er sein Bild über das vermeintlich
rückständige Mittelalter korrigieren.
»Wunderbar«, fuhr Gero fort. »Wenn alles nach Plan läuft, werde ich in der Zwischenzeit beim ortsansässigen Wagenbauer einen
Karren kaufen und zusammen mit Struan den bewusstlosen Medicus unauffällig aus der Stadt schaffen. Wir können es uns nicht
leisten, ihn unbeaufsichtigt zurückzulassen. Er könnte zu sich kommen und uns verraten. Danach warten wir am Westtor im Schutz
der Stadtmauer, bis es dunkel wird, damit wir die Brüder bergen können.«
Gero wandte sich noch einmal Anselm zu, dessen flackernder
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