Das Rätsel der Templer - Roman
»Allerdings ehrt es mich über Gebühr, dass du vor lauter Vergnügen
dein Gedächtnis verloren hast.« Sie machte ein feierliches Gesicht und verdeckte mit der flachen Hand ihre linke Brustwarze.
»Freya, mein Name ist Freya – ich glaube, ich sagte es bereits.«
Er schnaubte belustigt. »Ich mag einfältig sein, aber so einfältig bin ich nun auch wieder nicht. Ich meine nicht deinen Vornamen,
sondern deine Herkunft.«
»Ah …«, sagte sie und hob ihre schönen, kastanienfarbenen Brauen. »Der Herr will wissen, ob das Mägdelein ihm ebenbürtig ist,
das so unvermittelt seinen Schoß in Beschlag genommen hat.«
»Nein … nein …«, beeilte sich Johan zu sagen. »So ist es nicht gemeint.«
»Wenn du mich frei gibst«, erwiderte sie keck, »werde ich es dir verraten.«
Johan entließ sie mit einem verlegenen Ausdruck in den Augen aus seiner Umarmung. Während sie sich neben ihm ins Heu fallen
ließ, knöpfte sie ihr Oberteil zu und ordnete sich den Rock. Hastig zog er sich, zusammen mit seiner Lederhose, die wollene
Unterhose hoch und machte sich an deren Bund zu schaffen. Freya, die sich neben ihm der Länge nach ins Heu gelegt hatte, stützte
ihren Kopf mit einer Hand auf dem Ellbogen ab und streckte ihre andere Hand neugierig aus. Tastend berührten ihre schlanken
Finger die geknoteten Lederschnüre, die seine Unterwäsche hielten.
|156| »Sind das die berüchtigten Schnüre der Templer, die alle Brüder mit der Aufnahme in den Orden fortan um ihren Leib tragen
müssen, um ihre Keuschheit zu demonstrieren?«
»Mal abgesehen davon, dass ich es nicht passend finde, mich gerade jetzt daran zu erinnern – wer erzählt dir einen solchen
Unsinn?«
»Ich hab’s mal gehört«, sagte sie und legte beschwichtigend die Hand auf seinen Arm. »Ich vergesse es sofort wieder. Versprochen.«
Mit einer unwirschen Bewegung zerrte Johan sein wattiertes Unterwams über den Hosenbund. »Schon gut«, murmelte er.
»Freya von Bogenhausen«, sagte sie und hielt ihm ihre Hand hin, als ob sie seinen Handkuss erwartete. Als er sie verwirrt
ansah, wiederholte sie ihre Vorstellung. »Edelfreie von Bogenhausen.«
Erst da begriff Johan, was sie ihm sagen wollte. Er nahm ihre schmale Hand und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken.
»Johan, zweitjüngster Sohn des Grafen Bechtholt van Elk und seiner Gemahlin Rosanna de Fondarella«, erwiderte er und fixierte
ihre ausdrucksvollen Augen. »Schade, dass wir uns nicht schon früher begegnet sind.«
»Wohl wahr«, sagte sie wehmutsvoll.
Er rückte näher an sie heran, wobei er ihre Hand noch immer festhielt. »Wie kommt es, dass ein so schönes adliges Mädchen
bei den Beginen Aufnahme sucht?«
»Das gleiche könnte ich dich fragen«, entgegnete sie erstaunt.
»Erstens habe ich nichts mit den Beginen zu schaffen«, erwiderte er grinsend. »Und zweitens bin ich nicht schön.«
»Doch das bist du«, sagte sie und lächelte ihn an, wobei sie ihm über den kräftigen Nacken strich und anschließend seine roten
Borsten kraulte.
Er konnte ihrem Blick nicht standhalten und sah auf seine und ihre Hand, die ineinander verschlungen waren. Schmunzelnd schüttelte
er den Kopf. Als er aufblickte, war sie mit einem Mal ernst.
»Meine Eltern sind beide tot«, sagte sie unvermittelt. »Und es gab keine verlässliche Verwandtschaft, die mir Zuflucht geboten
hätte. Am Ende war es ein Segen, dass ich mich dem Orden anschließen durfte.«
»Das tut mir leid«, antwortete Johan und suchte vergeblich nach tröstenden Worten.
|157| »Es ist nicht so schlimm«, sagte sie leichthin. »Ich kann mich gar nicht an sie erinnern. Mein Vater starb bei der Schlacht
um Worringen. Er kämpfte auf Seiten des Kölner Erzbischofs. Meine Mutter stammte aus der Grafschaft Luxemburg, sie ist nach
dem Tod meines Vaters dem Trübsinn verfallen und mit mir zusammen zu den Dominikanerinnen nach Köln geflohen. Dort ist sie
kurz darauf verhungert. Vor lauter Trauer konnte sie wohl nicht mehr essen. Ich war erst zwei Jahre alt, als das geschah.
Ich hatte keinerlei Geschwister, und mein Onkel, der sich das Erbe aneignen wollte, hat den Schwestern eine vergleichsweise
geringe Summe bezahlt, damit sie mich bei sich behalten und er den Besitz meiner Eltern übernehmen konnte oder wenigstens
das, was der Herzog von Brabant davon übrig gelassen hatte. Nach meinem Noviziat bin ich davongelaufen, weil ich es nicht
ertragen konnte, immer wieder Geschichten vom Tod meiner
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