Das Rätsel der Templer - Roman
der Tür ab. Dann setzte er sich ächzend auf einen Stuhl, aß ein Stück Brot und ließ sich einen Becher mit Wein schmecken.
»Wie ist es dir ergangen?«, fragte Gero und blickte kurz auf.
»Meinst du, ob ich wie Struan weiteres Christenleben auf mein Gewissen geladen habe?«
Gero nickte und fuhr fort, Matthäus, der den Mund aufsperrte wie ein kleines Vögelchen, zu füttern.
»Es waren drei«, erklärte Johan tonlos.
»Ich hab zwei von den Hunden erwischt«, knurrte Gero leise. »Kannst du dir vorstellen, dass sie es sogar auf den am Boden
liegenden Jungen abgesehen hatten?«
Johan schüttelte den Kopf. »Das einzige, was ich mir vorstellen kann, ist, dass der Teufel persönlich seine Hand im Spiel
hat«, flüsterte er. Ihn schauderte. Müde fuhr er sich mit den Fingern durch den roten Schopf. »Ich hab den Frauen die Lage
erklärt und ihnen gesagt, dass wir morgen so früh wie möglich aufbrechen müssen. Und ich habe sie vergattert. Wenn ihnen ihr
Leben lieb ist, sollen sie, um des Himmels willen, niemandem etwas von unserer Anwesenheit berichten.«
»Und? Denkst du, sie haben es begriffen?«, fragte Gero und wischte Matthäus mit einem Leinentuch den Mund ab.
»Soweit ich es beurteilen kann, sind es ehrenwerte Frauen«, erwiderte Johan.
»Was ist mit Amelie? Haben die frommen Schwestern etwas darüber gesagt, ob sie morgen wieder mit uns reiten kann?«
»Sie ist zu sich gekommen«, gab Johan Auskunft. »Aber niemand weiß, wie schwer ihr der Anblick des Todes ein weiteres Mal
zugesetzt |152| hat.« Er räusperte sich und nahm einen Schluck Wein. »Du kennst ja unseren schottischen Bruder, er ist ein herzensguter Kerl,
aber was den Kampf betrifft, so hat er den Charakter eines tollwütigen Wolfes.«
Gero stieß einen Seufzer aus. »Morgen werden wir es wissen«, sagte er resigniert.
»Gute Nacht dann …«, antwortete Johan. Er stand auf und schickte sich an, in seine Kammer zu gehen.
»Schlaf gut, Jo«, erwiderte Gero. »Und komm nicht auf dumme Gedanken, bei einem so überreichen Angebot an weiblicher Unterstützung.«
Johan schnaubte kurz und zog die Tür leise hinter sich zu. Ihn trieb es noch einmal auf den Hof. Es war kalt, doch die klare
Luft und die Ruhe, die unvermittelt mit der hereinbrechenden Dunkelheit eingekehrt war, reinigten seine Gedanken.
Er stützte sich mit den Händen auf die Brunneneinfassung und starrte im Schein von ein paar Fackeln, die den weitläufigen
Hof beleuchteten, in den finsteren Schacht.
Plötzlich bemerkte er, wie jemand seinen Arm berührte.
»So nachdenklich Bruder Johan«, sagte eine Frauenstimme.
Überrascht schaute er auf und blickte in Freyas liebliches Antlitz.
Ihre Augen glitzerten herausfordernd im Schein der Fackeln.
»Der Nachmittag ist an dir nicht so spurlos vorübergegangen, wie ich geglaubt habe, oder?«
»Woher weißt du das?«, fragte Johan leise und richtete sich auf.
»Ich kann es dir ansehen«, sagte sie mit einem Lächeln.
»Dann hast du vielen Menschen etwas voraus. Die meisten sehen nur meine Narben und können nicht sagen, welcher Gemütszustand
sich dahinter verbirgt«, erwiderte er.
»Deine Narben interessieren mich nicht«, sagte sie. »Deine Augen sind es, die mich faszinieren. Ich kann in ihnen lesen.«
Johan spürte ihren Blick auf seinem Gesicht ruhen und war froh, dass es bereits dunkel war, sonst hätte sie womöglich bemerkt,
wie er errötet war. »Was liest du denn in ihnen?«
»Sie erzählen von Mut, Güte, Ehrlichkeit, Trauer und …« Sie zögerte einen Moment und sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
»Sehnsucht?«
|153| Johan schloss für einen Moment seine Lider. Ihr Rosenduft stieg ihm in die Nase, und ihre Gegenwart ließ sein Herz schneller
schlagen.
»Gehen wir ein Stück?«, fragte sie, um ihm die Befangenheit zu nehmen.
Sie nahm eine heruntergebrannte Kienspanfackel aus einer Wandbefestigung und hakte sich wie selbstverständlich bei dem rothaarigen
Templer unter. Ohne zu fragen, steuerte sie mit ihm auf das Scheunentor zu.
»Hier können wir uns ungestört unterhalten.« Beiläufig löste sie sich von ihm und öffnete eine kleine Tür, die in das große
hölzerne Flügeltor eingelassen war. Sie schlüpfte hindurch und gab ihm einen Wink, ihr zu folgen. Johan fragte sich, was er
hier tat, als er sich duckte, um Freyas Aufforderung nachzukommen.
»Und außerdem ist es hier drinnen wärmer«, fügte sie lächelnd hinzu, während sie hinter ihm die Türe schloss und sie von
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