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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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auch zum Beispiel im Quellsystem kein Stau entsteht. Also auf Durchgang sozusagen.“
    „Verstanden“, sagte Herbert. „Und wie sieht das auf der Schalttafel hier aus?“
    „Die einzelnen Schalter springen in die entsprechende Stellung.“
    „Das heißt“, fuhr Herbert hartnäckig fort, „wir können jetzt nicht mehr feststellen, wie die Tafel geschaltet war, als der Unfall geschah?“
    „Wir können es rekonstruieren, wenn Sie das wünschen“, sagte der andere, der wohl inzwischen begonnen hatte, in Herberts Fragen einen Sinn zu sehen.
    Der Direktor verfolgte das Frage- und Antwortspiel mit Interesse. Es imponierte ihm, wie dieser betriebsfremde Inspektor sich Schritt für Schritt vortastete, aber jetzt wollte er doch den Prozeß abkürzen.
    „Wir werden diese Schalttafel ausbauen und an einem Simulationsmodell testen, dann wissen wir, ob es eine technische Fehlschaltung gegeben hat oder menschliches Versagen. Wenn die Tafel selbst in Ordnung ist, was ich annehme, ist die Rekonstruktion der Schalterstellung aussagekräftig. Aber eigentlich überflüssig. Kommen Sie, Genosse Inspektor, das dauert immerhin einige Zeit. Am Nachmittag werden wir, denke ich, das Ergebnis haben. Mit Ihren Untersuchungen hat das wohl kaum etwas zu tun.“
    Herbert folgte dem Direktor ohne Widerspruch. Plötzlich spürte er, daß er am ganzen Körper schweißnaß war und daß die Schwerfälligkeit seiner Bewegungen nicht nur von dem Schutzanzug, sondern auch von einer bleiernen Müdigkeit herrührte. So, am Nachmittag? dachte er. Dann geht's mich ja nichts an, da bin ich längst nicht mehr hier, nicht mehr hier, nicht mehr…
    „Was ist, Sie taumeln ja!“ rief der Direktor besorgt und faßte Herbert unter den Arm.
    „Schon gut“, wehrte Herbert ab, „nur die Müdigkeit!“
    Als er den Anzug abgelegt hatte, waren ihm die Glieder zwar immer noch schwer, aber die Gedanken bewegten sich wieder leichtfüßiger. Hatte er nicht etwas einfach so hingenommen? „Warten Sie mal, was haben Sie vorhin gesagt?“ fragte er den Direktor, der ihm voranging. „Der Fall hat nichts mit unserer Krankheit zu tun? Sind Sie sicher?“
    „Was heißt sicher?“ fragte der Direktor zurück. „Aber überlegen Sie doch mal selbst. Der Mann macht einen Kontrollgang. Statt einfach durchzugehen, stellt er eine sinnlose Schaltung her, die noch dazu für ihn selbst gefährlich ist, bei seiner Qualifikation muß er das erkennen. In den Fällen, die Sie geschildert haben, sind die Leute plötzlich müde geworden, aber nicht verrückt!“
    Herbert mußte im stillen zugeben, daß er dagegen kein Argument hatte, und er wußte auch aus Erfahrung, wie leicht man in den Fehler verfiel, jedes besondere Ereignis dem eigenen Untersuchungsgegenstand zuordnen zu wollen. Andererseits aber wurde ein Kontrolleur in einem Kernkraftwerk nicht so schnell verrückt… Herbert wußte zuwenig, es lagen ihm einfach zuwenig handfeste Untersuchungsergebnisse vor, um die Angelegenheit so abzutun. Aber dazu mußte jemand her, der etwas von diesem Kraftwerk verstand.
    „Es wird das beste sein, Sie legen sich eine Stunde aufs Ohr“, schlug der Direktor vor. „Wir haben da einen Ruheraum…“
    „Ach, das wäre wirklich gut, vielen Dank“, sagte Herbert, „aber vorher möchte ich noch…“ Er verstummte.
    Ja, was wollte er denn? Er hatte zwar keine Argumente gegen die Meinung des Direktors, aber es widerstrebte ihm doch, so ohne weiteres abzutreten, kommentarlos von der Bildfläche zu verschwinden. Natürlich hätte er sagen können: Ich bin trotzdem der Meinung, daß…, aber was sollte es, und außerdem, es stimmte auch gar nicht, denn er hatte wirklich keine feste Meinung, und es war ihm auch nicht darum zu tun, unbedingt das letzte Wort zu haben. Nur irgendein Ergebnis wollte er hinterlassen, wenn auch nur ein kleines, praktisches Ergebnis, das war es, die reine Beobachterrolle war ihm zuwider. Plötzlich fiel ihm die Straßenkreuzung ein, auch dort war er nur Beobachter, ein Mann, dem dies und jenes erläutert wurde, aber dann…
    „Was möchten Sie vorher noch?“ fragte der Direktor.
    „Ein Vorschlag“, sagte Herbert, „sozusagen eine vorbeugende Maßnahme. Sollte man nicht für eine gewisse Zeit alle Stellen, an denen einer allein arbeitet und durch seinen Ausfall Gefahren entfesseln kann, doppelt besetzen?“
    Der Direktor überlegte eine Weile und nickte dann. „Ein guter Vorschlag“, sagte er. „Ich glaube zwar nicht daran, aber Sicherheit geht vor. Ich

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