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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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ihr“, fragte Leif, „was sie alle, ohne Ausnahme gegessen und getrunken haben?“ Leif spreizte nacheinander drei Finger ab. „Brot, Milch, Wasser.“
    „Ich werd verrückt!“ sagte der Oberleutnant. „Ich weiß zufällig, Milch wird tatsächlich an Nord und Süd getrennt ausgeliefert, weil meine Frau viel Milch… trinkt…“ Er verstummte.
    „Wo ist die Molkerei?“ fragte Herbert.
    Der Oberleutnant faßte sich schnell. Er antwortete ganz sachlich: „Hier in der Stadt. Sie verarbeitet die Milch aus unserem Kreis und aus vier Nachbarkreisen.“
    „Dann nichts wie hin!“ rief Herbert.
     

MONTAG ABEND
    „Unmöglich, ganz unmöglich!“ sagte der Molkereidirektor erregt. „Vom Kuheuter bis zum Endverbraucher kommt kein Mensch mit der Milch in Berührung. Alles automatisiert, alles absolut steril. Absolut.“
    Sie standen im Zimmer des Direktors, der auf ihren Anruf hin ebenfalls zur Molkerei gekommen und fast gleichzeitig mit ihnen eingetroffen war. Herbert hatte den Oberleutnant mitgenommen, Leif war im Kernkraftwerk geblieben, bei der biologischen Arbeitsgruppe, die die Klimaanlage untersuchen sollte.
    Bereits auf der Treppe hatte Herbert dem Direktor erläutert, worum es sich handelte. Der hatte geschwiegen und gewartet, bis er die Tür des Direktionszimmers hinter sich geschlossen hatte, um dann sofort und heftig zu widersprechen.
    „Darüber würden wir uns gern in Ruhe unterhalten“, sagte Herbert nun.
    „Ach so ja, entschuldigen Sie, bitte nehmen Sie Platz, ich will selbstverständlich alles tun, was ich zu einer Klärung dieser Angelegenheit beitragen kann, aber durch unsere Milch? So was gab es ja noch nie!“
    Sie setzten sich zu dritt an einen Tisch und schwiegen einen Augenblick. Dann meinte Herbert: „Sie haben da etwas sehr Wichtiges gesagt: So was gab es noch nie. Das trifft auch auf die Krankheit zu. Unmöglich oder nicht – überwinden Sie sich bitte und lassen Sie uns gemeinsam folgendes durchdenken: Wir – wir räumen ein, daß es sich zunächst nur um eine Vermutung handelt. Und Sie – lassen Ihre verständliche Erregung darüber beiseite und nehmen einmal an, unsere Vermutung träfe zu. Wie könnten wir dann den Weg weiter zurückverfolgen, den die Krankheitsursache genommen hat, egal, worum es sich dabei handelt?“
    Der Molkereidirektor zerrte am Kragen seines Pullis, ihm war heiß. „Wie soll ich das wissen!“ rief er und beteuerte erneut, daß alle Hygienevorschriften hundertprozentig eingehalten wurden und daß es seiner Meinung nach ganz unmöglich sei…
    Herbert ließ ihn reden und beobachtete unauffällig das Gesicht des Oberleutnants, das bis zur Ausdruckslosigkeit beherrscht war.
    Darüber freute sich Herbert. Auch er war ungeduldig, aber er verstand, daß man dem Direktor die Möglichkeit geben mußte, seinen ersten Schreck abzureagieren. Als dessen Wortschwall abgeebbt war, bat er: „Vielleicht beginnen wir damit, daß Sie uns die Arbeitsweise der Molkerei und ihre Verbindungen zu den Erzeugern erklären?“
    „Bitte schön, meinetwegen“, sagte der Direktor, noch immer in Abwehrstellung. „Wir verarbeiten die Milch aus fünf Kreisen. In jedem Kreis steht eine Milchvieheinheit mit zehntausend Plätzen. Die Milch wird durch Pipelines angesaugt. In der Hauptsache wird sie weiterverarbeitet zu Käse. Trinkmilch stellen wir nur für unsere fünf Kreise her.“ Er berichtete über die Erfolge und den steigenden Absatz der Molkerei, über die Aufnahme neuer Rezepturen aus befreundeten Ländern, über die bevorstehende Einrichtung eines wissenschaftlichen Geschmackslabors. Dabei geriet er in Eifer und überwand seine Mißstimmung.
    Herbert runzelte die Stirn. Allzuviel war damit nicht anzufangen. Man müßte…
    Der Oberleutnant kam ihm zuvor.
    „Woher stammt denn die Trinkmilch, die die Südstadt gestern und heute bekommen hat?“ fragte er.
    Der Direktor schwieg ernüchtert. Dennoch schien er jetzt aufgeschlossener zu tun. „Das haben wir gleich“, sagte er und ging an seinen Arbeitstisch; die anderen folgten ihm. Er schaltete, und auf einem länglichen Bildschirm entstand ein Gewirr von Linien und Symbolen. „Das Durchlaufdiagramm vom Sonntag“, erklärte er und beugte sich darüber. „Die Frühauslieferung stammt aus – Großhennersdorf, Charge B. Die Mittagsauslieferung – ebenfalls von dort, Charge G. Jetzt bin ich selbst mal gespannt auf Montag.“ Er schaltete um. „Die Frühauslieferung – ja, die Mittagsauslieferung – ja, wieder dasselbe.“

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