Das Rätsel Sigma
eingeliefert.“
„Das war Ihre Frau – die Schwangere!“ sagte Herbert betroffen. Er hatte plötzlich das Gefühl, diese Frau, die er ja nur einmal gesehen hatte, sei ihm nicht so fremd wie die anderen Kranken. „Aber warum sollte ich Ihnen böse sein?“ fragte er, weil er im Augenblick nicht wußte, was er anderes sagen sollte.
Der Oberleutnant sah zu Boden. „Ich bin aus der Quarantäne ausgerissen“, sagte er. „Ich kann nicht dasitzen und Däumchen drehen, wenn meine Frau in Gefahr ist. Haben Sie für mich etwas zu tun?“ Er hob hilflos die Arme.
Herbert war nicht begeistert von der Entscheidung, vor die er hier gestellt wurde. Soso, dachte er, aus der Quarantäne ausgerissen. Andererseits, die Quarantäne ist sowieso sinnlos… Er begriff, daß er sich gar nicht für oder gegen den Oberleutnant entscheiden mußte, sondern für die eine oder andere Variante der Entstehung der Krankheit. Hielt er die Virus-Variante für richtig, dann war es seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, Oberleutnant Hoffmeister umgehend zurückzuschicken. Hielt er eine Vergiftung für die Ursache, dann, ja dann – gebrauchen konnte er so einen Mann auf jeden Fall, wenn es auch Ärger mit den Ärzten geben würde… Aber auch Frau Dr. Baatz glaubte ja nicht mehr unbegrenzt an die Viren… Er entschied sich. Aber etwas in ihm sträubte sich noch, dem Verlangen des anderen allzu leicht nachzugeben. „Ich verstehe durchaus, daß Sie Ihre Frau zu sehr lieben, um erzwungene Passivität ertragen zu können. Aber ist Ihre Handlungsweise nicht doch etwas leichtfertig?“
„Ja, ja, ja!“ schrie der Oberleutnant, „das hab ich mir alles selbst vorgehalten! – Entschuldigen Sie“, sagte er dann erschöpft, „aber es geht nicht nur um meine Frau, sondern auch um unser Kind.“
„Na gut“, sagte Herbert versöhnlich, „dann helfen Sie uns gleich mal hier bei der Auswertung!“
Dr. Knabus, Frau Dr. Baatz und Schirin Trappe saßen an dem Bett, auf dem der müde Quarantänepatient lag. Die Elektroden des Enzephalografen waren bereits angeschlossen.
„Seit wann haben Sie diese Müdigkeitsanfälle, und wie oft wiederholen sie sich?“ fragte die Ärztin.
„Nun vielleicht so um zehn, da war es das erstemal. Und dann so alle zwei, drei Stunden. Aber wenn ich ein kleines Nickerchen mache, bin ich wieder voll da. Hat das was mit der Krankheit von meiner Frau zu tun?“ fragte er neugierig.
„Das wollen wir gerade feststellen“, erklärte die Ärztin. „Wir wissen das nämlich nicht. Oder dachten Sie, Ärzte müßten alles wissen?“
„Nee“, sagte der Mann, „aber meistens tun sie so.“
„Haben Sie denn schon oft mit Ärzten zu tun gehabt?“ fragte Monika Baatz milde.
„Ich?“ protestierte der Patient. „Ich war immer gesund! Krankheiten kenne ich gar nicht. Nicht mal Grippe!“
„Aha“, meinte die Ärztin. „Na, dann geben Sie sich jetzt mal Mühe und schlafen Sie ein.“
„Soll mir nicht schwerfallen“, murmelte der Mann und schloß die Augen. „Mir ist schon wieder so…“ Er brachte den Satz nicht zu Ende, offensichtlich schlief er schon.
Monika Baatz stand auf, ging um das Bett herum und sah das EEG des Schlafenden. „Ich glaube, das reicht!“ flüsterte sie.
Dann weckten sie den Mann. Er fuhr hoch. „Was ist? Hab ich geschlafen?“
„Vorsicht, die Elektroden!“ rief Schirin und drückte ihn zurück. Nachdem sie abgeschnallt waren, durfte er zurück in die Quarantänestation gehen.
„So, jetzt sind Sie dran“, sagte die Ärztin zu Schirin. Tatsächlich schlief auch Schirin ein. Nach etwa zehn Minuten wachte sie von selbst wieder auf.
„Wie fühlen Sie sich jetzt?“ fragte die Ärztin.
„Vollkommen ausgeschlafen. Besser als vorhin.“
„Also nicht benommen?“
Schirin, die inzwischen abgeschnallt war, stand auf und trieb etwas Gymnastik. „Nein“, sagte sie dann. „Vollkommen frisch.“
„Gut. Wann gehen Sie gewöhnlich schlafen?“
„Diese Woche hätte ich normalerweise Frühschicht, da würde ich ungefähr um zehn Uhr schlafen gehen.“
„Ich möchte, daß Sie sich für ein Experiment zur Verfügung stellen. Schlafen Sie diese Nacht unter dem EEG! Werden Sie das können?“
„Warum nicht – ich habe, glaube ich, eine ziemlich ruhigen Schlaf.“
„Gut“, sagte die Ärztin. „Also melden Sie sich um halb zehn. Ich danke Ihnen!“
Als Schirin gegangen war, nahmen sich der Chefarzt und die Ärztin die Enzephalogramme vor.
„Bei beiden nur paradoxer Schlaf“,
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