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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Er schwieg.
    „Das kann doch wohl kein Zufall sein!“ meinte Herbert.
    „Geplant ist es freilich nicht so“, erklärte der Direktor, „aber auch nicht zufällig. Die Milchvieheinheiten liefern immer zu einer bestimmten Zeit und wir auch, so kommt diese Zuordnung zustande.“
    „Ich meinte das etwas anders“, sagte Herbert trocken. „Einiges spricht dafür, daß die Krankheit aus der Milch kommt, und wenn wir nun erfahren, daß die fragliche Milch immer aus der gleichen Quelle floß…?“
    „Aber da müßte ja irgendein Gift drin sein, wo soll denn das herkommen?“ protestierte der Direktor. Plötzlich leuchtete sein Gesicht auf, er hatte einen Einfall: „Und wieso dann gerade jetzt, auf einmal, plötzlich, aus heiterem Himmel – bei uns hat sich doch in den letzten Monaten überhaupt nichts verändert.“
    „Gerade das müßte man nachprüfen“, sagte der Oberleutnant, „auch in Großhennersdorf.“
    „Richtig“, stimmte Herbert zu, „aber erst, wenn wir hier alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen haben.“ Er wandte sich an den Direktor. „Also neue Geräte oder Teile oder Hilfsstoffe sind hier nicht verwendet worden? Könnte irgendwo ein Defekt sein? In der Pipeline zum Beispiel?“
    „Die Pipelines werden turnusmäßig überprüft, mit Druckluft.“
    „Wann zum letztenmal?“
    „Moment – vor sechs Tagen. Wir können den Drucktest sofort wiederholen, das macht keine Schwierigkeiten. Das heißt, in einer Viertelstunde. Ein paar Vorbereitungen sind doch nötig.“
    „Sehr gut“, sagte Herbert, „veranlassen Sie das bitte.“
    Der Direktor stand auf und ging an seinen Arbeitstisch. Oberleutnant Hoffmeister flüsterte Herbert etwas zu.
    „Augenblick bitte“, unterbrach Herbert den Direktor, der gerade telefonierte, „haben Sie noch Reste von der Milch, die an die Südstadt ausgeliefert wurde?“
    „Wir bewahren von jeder Charge eine Probe auf, genau nach Vorschrift!“ erklärte der Direktor und sprach weiter ins Telefon.
    Herbert nickte dem Oberleutnant zu. Der Oberleutnant ging zur Tür, aber da unterbrach der Direktor sein Gespräch und sagte: „Hier kommt ein Videoruf für Sie, Herr Lehmann, aus dem Kreiskrankenhaus!“
     
    Ein Gemenge aus zwei Komponenten! Im Ultramikroskop wurden sie sichtbar: großflockig die eine, kleinkörnig und sehr viel dichter die andere. Man müßte sie trennen. Aber wie?
    Wiebke verschloß den Objektträger, so daß sie den Rand der Probe vor Augen hatte. Hier lagen einige von den kleinen Körnern frei herum, sie waren anscheinend aus den Flocken herausgefallen. Also müßte man sie ausschütteln können.
    Sie stellte den Rüttler an und gab eine Probe von den Explosionsrückständen hinein. Während das Gerät lief, überlegte Wiebke, welche Versuche sie mit den beiden Komponenten zuerst anstellen sollte. Man müßte eine Arbeitshypothese über ihre Entstehung aufstellen. Zwei Phasen, eine dichte und eine lockere – natürlich, die Explosionswelle hatte ja Verdichtungen und Verdünnungen, Druckanstieg und Druckabfall hervorgerufen, möglicherweise hatte der Druckanstieg die Polymerketten ineinander verschoben und die Plaststaubkörnchen derartig verdichtet. Und die lockere, flockige Spielart? Im Druckabfall kondensiert? Wiebke überschlug, ob die Energie der Explosionswelle dafür ausgereicht haben konnte – das Ergebnis war positiv. Aber das besagte noch nicht viel. Genaue Analysen waren notwendig. Und praktische Kontrollversuche – die Bakterien ansetzen – einmal auf die dichte Phase, einmal auf die lockere und einmal auf das Gemenge.
    Sie stellte den Rüttler ab. Die Analyse hatte Zeit, sie konnte sowieso nur einen Teil davon selbst machen. Aber die Kontrollversuche!
    Sorgfältig entnahm sie dem Rüttler Proben. Das Ultramikroskop bestätigte, daß ihr die Trennung gelungen war. Sie setzte allen drei Proben Bakterien zu. Ungeduldig wechselte sie mehrmals die Objektträger – zu dumm, daß sie nur ein einziges Ultramikroskop hatte! Plötzlich vermeinte sie, Unterschiede in der Entwicklung der Kultur zu sehen. Danach wieder schien es ihr, als habe sie sich geirrt. Sie beschloß, eine Viertelstunde nicht hinzusehen.
    Und dann war das Ergebnis ganz eindeutig: Die eine wie die andere Phase brachten, für sich genommen, keinen wesentlichen Fortschritt. Nur im Gemenge entwickelten sich die Bakterien stürmischer! Also war die Hauptfrage jetzt: wie dieses Gemenge zuverlässig erzeugen? Druckwellen durch den Staub leiten? Vielleicht mit Ultraschall?

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