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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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glaubt, daß sie heilbar ist. Oder hofft es. Oder neigt zu der Ansicht. Die Ärzte sind ja da vorsichtig in ihrer Ausdrucksweise, mit Recht.“
    Als sie sich vor der Tür verabschiedeten, sagte der Oberleutnant: „Ich habe mal ausgerechnet: Verdächtige Milch wurde gestern zum letztenmal verkauft. Heute morgen wurde über das Fernsehen gewarnt, gestern in Neuenwalde gekaufte Milch zu verbrauchen. Wenn also die Milch wirklich die Ursache ist, müßten wir heute morgen die letzten Einlieferungen haben. Höchstens noch einige bis Mittag, die früh die Meldung nicht gehört haben.“
    „Das hab ich auch schon ausgerechnet“, sagte Herbert. „Also dann – bis Mittag!“ Er lächelte aufmunternd, drückte dem Oberleutnant fest die Hand und stieg in den Wagen.
     
    Herbert hatte es gar nicht bemerkt, aber sie mußten schon in Großhennersdorf sein. Rechts und links der Straße flogen Zwei- bis Dreifamilienhäuser vorüber, den äußeren Gürtel der Einfamilienhäuser hatten sie offenbar schon hinter sich gelassen, Herbert kannte das alles vom Reißbrett, er hatte solche Agrarstädte mitberechnet, das war seinerzeit ein Auftrag der Kommission des Bezirkstages gewesen, und ihm fiel plötzlich auf, daß er noch nie Zeit und Gelegenheit gefunden hatte, sich anzusehen, was daraus geworden war. Hier sollten also die Ansässigen wohnen, die Seßhaften, nämlich Großeltern mit ein oder zwei Tochterfamilien – blöde Wortbildung, dachte Herbert, Tochterfamilien, Tochtergesellschaften, woher kommt denn das? Aber schon tauchten neue Eindrücke auf, vier- bis fünfgeschossige Wohnblocks, Heimstatt für junge Leute oder auch Zugezogene, die sich noch nicht endgültig entschieden hatten, ihr ganzes Leben oder doch eine längere Zeit hier zu verbringen, oder die kein Verlangen nach Haus und Garten hatten.
    Alles ganz gut gedacht, überlegte Herbert, und doch stimmt hier irgend etwas nicht. Aber er kam nicht dahinter, woraus dieser Eindruck resultierte, bis sie auf den zentralen Platz fuhren: Ein Park mit einem kleinen See wurde von hohen Blocks umrahmt, in denen Verwaltung, Handel und kulturelle Einrichtungen untergebracht waren. Die alten, hohen Bäume und der Teich waren wohl das einzige, was von dem ehemaligen Dorf übriggeblieben war, und plötzlich wußte Herbert, was den Eindruck in ihm erweckt hatte: Die Bäume an der Straße waren alle noch klein, nicht viel älter als die Stadt, es würden wohl noch einige Jahrzehnte vergehen, bis das Straßenbild die organisch gewachsene Harmonie ausdrücken würde, die die Architekten beabsichtigt hatten, und es wäre sicher aufschlußreich nachzuforschen, wie sich dieser Umstand auf das Lebensgefühl der Bewohner auswirkte – nur gab es im Augenblick ja wohl Wichtigeres zu tun.
    „Hier halten wir mal!“ sagte Herbert.
    „Der Stall ist fünf Kilometer weiter draußen!“ entgegnete der Fahrer.
    „Aber die Leitung der Kooperation muß hier irgendwo sein“, sagte Herbert.
    Als er ausstieg, wehte ein scharfer Wind. Er fror jämmerlich, nicht nur, weil er wenig geschlafen hatte, sondern vor allem, weil er bei seinem schnellen Aufbruch am Sonntagabend den leichten Sommermantel gegriffen hatte, der noch vom Spaziergang her an der Flurgarderobe gehangen hatte. Er unterdrückte das Zittern und betrat das Bürohaus.
     
    Oberleutnant Fred Hoffmeister bat den starkknochigen, schon etwas grauhaarigen Mann, Platz zu nehmen.
    „Sie haben also Sonntag und Montag die Milch für die Südstadt ausgefahren?“ fragte er.
    „Ja, ich und mein Beifahrer, der ist aber jetzt auf Tour mit einem Kollegen, der Chef hat gemeint, einer von uns reicht auch.“
    „Gut, mit Ihrem Beifahrer werden wir uns später unterhalten. Sie können sich doch sicher an alles gut erinnern?“
    „An was denn?“
    „Na, an das, was auf Ihrer Tour so passiert ist!“
    „Was soll denn da passiert sein?“ fragte der Fahrer ärgerlich. „Hängt diese Fragerei mit der Krankheit zusammen, von der jetzt überall erzählt wird? Und sogar im Fernsehen haben sie vor unserer Milch gewarnt. Das ist doch alles Unsinn! Die Milch kommt so ins Geschäft, wie sie auf den Wagen geladen wird, und nichts weiter!“ Er drehte sich halb herum und sah aus dem Fenster.
    Fred Hoffmeister merkte, daß er so nicht weiterkam. „Bitte beschreiben Sie mir die Route, die Sie fahren.“
    „Zuerst fahren wir zum Kernkraftwerk und von da aus zur Autobahnraststätte, weil das die größten Abnehmer sind“, erklärte der Fahrer widerwillig. „Dann

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