Das Rätsel Sigma
beliefern wir die Geschäfte in der Südstadt, die ja auch später aufmachen. Wenigstens montags.“
„Und diese Route bleibt immer gleich? Sie ist auch am Sonntag und Montag beide Male in dieser Reihenfolge befahren worden?“
„Sag ich doch.“
„Haben Sie den Wagen, wenn auch nur für kurze Zeit, allein gelassen?“
„Nein.“
„Kommt das nie vor?“
„Doch, das kommt schon vor. Aber diesen Sonntag oder Montag nicht.“
„Und warum nicht?“
„Also wissen Sie, Sie stellen Fragen, wie soll man die beantworten.“
„Trotzdem – warum nicht?“ fragte der Oberleutnant hartnäckig.
„Herrje – am Sonntag hat man's sowieso eilig, und am Montag hatte mein Kumpel eine Verabredung, zwischen den Halbschichten, eine Fuhre. War aber vom Betrieb genehmigt.“
„Ja, ja, schon gut“, der Oberleutnant winkte ab. Er mußte all seinen Scharfsinn zusammennehmen, weil er ja selbst nicht wußte, wonach er fragen sollte. Was gab es noch für Anhaltspunkte in dem, was der Fahrer bisher gesagt hatte. Der Oberleutnant betrachtete seine Notizen. Die Route – richtig: Kernkraftwerk! „Nun überlegen Sie mal genau“, forderte er, „als Sie zum Kernkraftwerk kamen, die Milch auslieferten und wieder wegfuhren – ist Ihnen da irgend etwas aufgefallen?“
„Nein“, sagte der Fahrer.
„Wie lange fahren Sie die Route schon?“
„Knapp drei Jahre.“
„Und beim Kernkraftwerk war es so wie immer?“
„Natürlich.“
„Und Sie haben nichts gesehen, nicht die geringste Kleinigkeit, die Sie nicht schon vorher hundertmal gesehen hätten?“
„Nein.“
„Überlegen Sie.“
Der Fahrer überlegte. „Doch“, sagte er dann, „als wir ankamen, mußten wir halten und irgendeinen Transport durchlassen.“
„Was für einen Transport?“
„Weiß ich doch nicht.“
„Mann, Sie machen's einem aber verdammt nicht leicht“, sagte der Oberleutnant leise und scharf. „Ist Ihnen eigentlich klar, daß von Ihrer Mitarbeit hier unter Umständen Menschenleben abhängen? Ich mache Ihnen doch gar nicht vor, daß ich etwas weiß, das ich nun aus Ihnen herausholen will. Ich weiß nichts, und wenn Sie auch nichts wissen, dann springt bei unserer Unterhaltung gar nichts heraus für die Kranken, die da in ihren Betten liegen und nicht aufwachen können und vielleicht nie mehr aufwachen können. Es geht doch hier nicht um irgendein Verkehrsvergehen.“
Nun war er doch laut geworden, und der Fahrer sah ihn erschrocken an, so, als begreife er jetzt erst, wovon die Rede war.
„Also, warum ist Ihnen dieser Transport jetzt eingefallen?“
Der Fahrer kratzte sich den Kopf. Es war die erste Bewegung, die er in der ganzen Zeit machte.
„Da war ein Streifenwagen mit Blaulicht davor und einer dahinter. So'n Spezialtransporter.“
„Aha, und wann war das?“
„Sonntagmittag. So kurz nach zwölf.“
„Und das war Ihnen neu?“
„Ja“, sagte der Fahrer. Und zum erstenmal fügte er, ohne gefragt zu sein, noch etwas hinzu: „Den hab ich noch nie gesehen, die ganzen drei Jahre nicht.“
Der Oberleutnant überlegte. Mehr würde ihm der Fahrer kaum sagen können. Dann fiel ihm noch eine Frage ein: „Kommen Sie immer zu der gleichen Zeit dort an?“
„Sonst etwas später. Nur am Wochenende fahren wir vielleicht zehn Minuten früher, also sonnabends und sonntags, weil da die Auslieferung für die Raststätte doppelt so groß ist.“
„Dann danke ich Ihnen erst mal für die Mitarbeit“, sagte der Oberleutnant. Er sagte das gar nicht ironisch, sondern aus reiner Gewohnheit, denn er war mit seinen Gedanken schon ganz woanders. Der Fahrer ergriff erstaunt die ihm gebotene Hand, schüttelte sie kräftig und verließ das Zimmer.
Der Oberleutnant drückte das Rufzeichen des Kernkraftwerks. „Leif Amwald bitte!“
Leifs Gesicht erschien auf dem Bildschirm.
„Können Sie feststellen, was für ein Transport das Kernkraftwerk am Sonntagmittag verlassen hat? Mit zwei Blaulichtwagen?“
Leif verschwand und kam nach ein paar Minuten wieder. „Ein Plutoniumtransport. Der turnusmäßige Abtransport des erbrüteten Plutoniums. Warum, was ist denn damit?“
„Ich komme zu Ihnen!“ sagte der Oberleutnant.
„Mit Ihrem Mäntelchen da werden Sie sich aber 'ne Lungenentzündung holen!“ sagte der Leiter der Kooperation Viehwirtschaft, als sie sich anzogen, um gemeinsam zum Stall zu fahren. „Sie müssen sich was Ordentliches anziehen, bei dem Wetter!“
„Ja, ja“, antwortete Herbert nervös, „als ich losfuhr von zu
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