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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Milch getrunken hatten. In jeder tausendsten Tüte Milch ein Riesenmolekül! In diesem Augenblick bat Herbert dem Chemiker im stillen alles ab, was er in all den Jahren von ihm gedacht hatte.
    „Und weiter?“ fragte er.
    „Es gibt aber noch einige Schönheitsfehler“, fuhr der Chemiker fort. „In einem sauren Milieu wird das Polymer zerfallen, aber das wissen Sie wohl selbst von den Experimenten. Allerdings dürfte das keine große Schwierigkeit sein. Wenn man geeignete Radikale anlagert…“ Herbert empfand eine fast unangenehme, übersteigerte Klarheit. Die Schlußfolgerung: saures Milieu – Magen – Auflösung in die Monomere – Übergang in die Blutbahn, kam ihm wie von selbst. Eine Teilstrecke, die das Gift zurückgelegt hatte, war jetzt klar zu übersehen: Vom Euter bis in das Gehirn der Erkrankten. Das Gift war in so schwacher Konzentration in der Milch enthalten, daß es normalerweise unwirksam blieb. Aber durch den Pumpvorgang nach dem Melken polymerisierte ein Teil zu Riesenmolekülen. Die lösten sich erst im Magen auf. Nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit mußte es wenige große und viele kleine Polymerisate geben, also auch viel mehr schwache Formen der Vergiftung, also noch eine große Dunkelziffer…
    „Du hörst ja gar nicht zu!“ rief der Chemiker. Herbert entschuldigte sich.
    „Ich möchte jetzt aber von dir wissen“, sagte der Chemiker, „woher das Zeug stammt, wozu es gut sein soll.“
    „Wozu es gut sein soll?“ erwiderte Herbert bitter. „Es hat bisher fast vierzig Menschen vergiftet. Vierzig, von denen wir es wissen. Wahrscheinlich aber sehr viel mehr.“
    Auf der Stirn des Chemikers hatte sich eine steile Falte gebildet. „Erzähl mal!“ bat er knapp. Nachdem er alles erfahren hatte, ging er noch einmal mit der Formel an sein Pult.
    Diesmal dauerte es länger. Als er schließlich aufstand und zu den anderen trat, sah er nicht sehr zufrieden aus. „Woher das Zeug stammt, kann ich leider auch nicht sagen, aber…“ Er verstummte und nagte an der Unterlippe. Dann entschloß er sich zu sprechen. „Es gibt da eine sehr energiereiche Bindung in dieser Formel, die ist technisch gar nicht darstellbar. Ich meine, mit der herkömmlichen Technologie. Ich möchte fast vermuten…“ Er verstummte wieder. „Ja?“ fragte Herbert.
    „Also ich glaube, die Verbindung ist von Mikroorganismen aufgebaut. Oder aber, halt, eine Möglichkeit gibt es noch: sie könnte auch bei tribochemischen Prozessen entstanden sein. Dort, wo außerordentlich starke Reibungskräfte auftreten, bei Schleif- und Bohrarbeiten – vor allem, wenn dabei organische Verunreinigungen vorkommen. Ja, eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Hilft euch das?“
    Herbert fühlte eine ungeheure Erleichterung. Jetzt ging es vorwärts, jetzt wußten sie, wonach sie suchen mußten! „Bestimmt!“ sagte er. Plötzlich hatte er es wieder eilig. „Haltet mich auf dem laufenden!“ rief Onkel Richard ihnen nach.
    Diesmal antwortete Fred. „Bestimmt!“ sagte auch er.
     
    „Punkt eins: die epilepsieähnlichen Erscheinungen“, sagte Monika Baatz. Sie hatte den Chefarzt und den sowjetischen Ingenieur, der ja auch Arzt war, zu einer Besprechung gebeten.
    „Eine medikamentöse Behandlung möchte ich vermeiden, solange es möglich ist, nicht nur in diesem Fall. Wir können nicht voraussehen, ob die Medikamente mehr mit dem Gift oder mit sekundär entstandenen Stoffen reagieren. Insgesamt drei Patienten neigen zu diesen Erscheinungen, bei zwei von ihnen ist es gelungen, mit Massage und Akupunktur den Ausbruch eines bevorstehenden Anfalls zu verhindern. Ich denke, das wird auch beim dritten gelingen. Einverstanden?“
    Die beiden anderen gaben ihre Zustimmung. Man verstand sich ohne viel Worte.
    „Dann zum Punkt zwei. Wie weit ist die Umlegung auf Einzelzimmer vorbereitet?“
    Der Chefarzt berichtete: „Die Zimmer sind frei gemacht, das Personal ist eingewiesen. Wir können in einer Stunde fertig sein, dann werden die leichten Fälle in den Krankensaal umziehen, und die Traglufthalle kann abgebaut werden. Ist auch besser so – der Sturm scheint stärker zu werden.“
    „Sind genügend Leute mit den Geräten vertraut?“ fragte Monika Baatz.
    Der Ingenieur nickte. „Meine Assistenten haben geeigneten deutschen Kollegen – wie sagt man – Unterricht gegeben.“
    „Gut, dann fangen wir doch an!“ sagte Monika Baatz. Der Chefarzt gab über Video die entsprechende Anweisung.
    „Nun zum Punkt drei – Aufrechterhaltung

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