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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Klappbett, auf dem er lag, auch. An der gegenüberliegenden Wand sah er Fred auf einem ähnlichen Bett – ach so, ja, das war das Agrowissenschaftliche Zentrum, irgendein Ruheraum, den man ihnen zugewiesen hatte; Fred war in der Nacht noch gekommen… Aber wieso waren sie nicht geweckt worden? Er hatte doch ausdrücklich darum gebeten, bei Tagesanbruch…
    Da öffnete Fred die Augen, blinzelte und richtete sich auf. „Warum hat uns denn keiner geweckt?“ fragte er. „Weiß nicht“, brummte Herbert mürrisch.
    Irgendwo fanden sie einen Toilettenraum, in dem sie sich wuschen, dann zogen sie sich an und verließen das Gebäude. Es stürmte nicht mehr, als sie vor die Tür traten, aber ein unangenehm kalter Wind wehte. „Willst du hier etwas finden?“ fragte Herbert mutlos.
    Jetzt, bei Tag, sahen sie, was für ein Riesenunternehmen dieses AWZ war: ein Dutzend Labors, Garagen und ein Reparaturwerk für die Großgeräte, Hangars und ein Flugplatz der Agroflug und wer weiß was noch alles. Es war mehr ein technisches als ein wissenschaftliches Zentrum.
    Ganz menschenleer war das Gelände aber auch zu dieser frühen Stunde nicht – es war noch vor sechs Uhr –, und so fanden sie schließlich mit Hilfe der Frage: „Wo werden hier Bodenproben analysiert?“ den Mann, der gestern abend die Aktion geleitet hatte, einen gewissen Meierlink.
    „Ich wollte Sie gerade wecken lassen“, sagte der Agrowissenschaftler, „nun kommen Sie schon selbst. Bitte nehmen Sie Platz.“
    Herbert hatte sich über das versäumte Wecken beschweren wollen, aber jetzt wäre es ihm anmaßend vorgekommen, ausgeschlafen wie er war, diesem müden und übernächtigen Mann Vorwürfe zu machen. „Ich hätte Sie schon früher aus den Betten geholt“, erklärte der Wissenschaftler, „aber ich habe alle Untersuchungen noch einmal wiederholen lassen, damit uns nichts entgeht. Leider haben wir nichts gefunden.“
    „Gibt es gar keinen Anhaltspunkt?“ fragte Herbert bitter.
    „Doch, einen vielleicht“, sagte Meierlink vorsichtig. „Da muß ich ein bißchen weiter ausholen…“
    „Bitte holen Sie nicht zu weit aus“, sagte Herbert, „für uns ist jede Minute kostbar.“
    „Ich weiß, ich weiß – aber schließlich müssen Sie verstehen, worum es sich handelt, wenn Ihnen die Sache etwas nützen soll. Also: Wir haben auch Proben entnommen von dem Gras im Chausseegraben, von einigen Gewächsen im Wäldchen auf dem Eberkopf und anderen angrenzenden Flächen, also kurz, von dem, was ringsherum wächst. Dabei fällt auf, und das ist das einzige auffallende Ergebnis überhaupt, daß eine bestimmte Bakterienpopulation, die sonst hier zu Hause ist, nicht vorkommt. Sehen Sie her.“
    Auf einem Bildschirm erschien eine Karte des Bezirks, auf der drei weit auseinanderliegende Flächen schraffiert waren.
    „Das ist die Verbreitungskarte von MBK 531-5721-32-9, eine der vielen Arten von Milchsäurebakterien. Diese Populationen bleiben in der Regel über viele Jahre stabil. Sehen Sie, hier liegt das Feld, die schraffierte Fläche überdeckt auch den Eberkopf noch mit. Daß wir das Bakterium auf dem Feld selbst nicht mehr finden, ist klar, das kann nach der Ernte und der anschließenden Sonderbehandlung nicht anders sein, es ist ja kein Bodenbakterium, sondern sitzt auf den Pflanzen. Aber wenigstens auf dem Eberkopf hätten wir es finden müssen.“ Er blickte die beiden abwartend an.
    „Haben Sie eine Erklärung dafür?“ fragte Herbert.
    „Nein. Die Mikroorganismen bilden ähnlich wie die Makroorganismen Biozenösen, das heißt, jede Art hängt irgendwie mit den anderen Arten zusammen, steht mit ihnen in einem gewissen Gleichgewicht. Man kann also erwarten, wenn eine Art verschwindet, muß sich auch die Zusammensetzung der anderen ändern. Das ist hier nicht der Fall. Wir haben alles gefunden, was wir nach den Karten erwarten durften. Es sieht fast so aus, als sei unser Bakterium plötzlich ausgerottet worden.“
    „Vor oder nach dem Abernten?“
    „Darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht. Einerseits ist es unwahrscheinlich, daß in relativ weit voneinander entfernten Gebieten das gleiche Ereignis eintritt, und nach der Mahd sind ja der Eberkopf und der Grasrain durch das leere Feld getrennt, was die Mikroorganismen betrifft. Andererseits, wenn es vor der Mahd geschehen ist, müßten schon Änderungen in der Zusammensetzung der Mikroorganismen nachweisbar sein. Es kann sich also eigentlich nur um den Tag der Mahd selbst handeln, höchstens noch

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