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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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in ihre Arbeit einbeziehen. Immer wenn sie irgendwo auftaucht, spannt sie die Leute vor ihren Wagen. Jetzt hat sie's bestimmt auf dich abgesehen, Spejbl.“
    „Aha“, rief der Professor und bemühte sich, ein strenges Gesicht zu machen, „wie sagt man deutsch? Vitamin B, ja? Beziehungen? Aber warum hat uns Ihr Mann gar nichts gesagt?“
    „Der ist prinzipiell gegen Beziehungen“, gestand Wiebke.
    „Eine gesunde Auffassung“, sagte der Professor. „Was machen Sie, wenn das auch die meinige ist?“
    Wiebke zögerte einen Augenblick, aber dann sah sie, daß Onkel Richard ihr zublinzelte, und so wagte sie, obwohl im Hintergrund die Biologiestudenten schon feixten, alles auf eine Karte zu setzen, und antwortete: „Was ich dann machen würde? Nun, ich würde Sie vielleicht fragen: Was haben Sie denn momentan so Wichtiges zu tun?“
    Der Professor stutzte einen Augenblick, dann lachte er laut los. Das Gelächter war ansteckend, und alle lachten mit, auch Wiebke, die nun überzeugt war, daß sie es geschafft hatte. Selbst die Biologiestudenten, die für einen Augenblick zu Salzsäulen erstarrt waren, lachten nun, und als das Gelächter sich legte, sagte der Professor, der diese Art Diskussion anscheinend mochte und sie fortsetzen wollte:
    „Also gut, ich gebe einen – wie sagt man? – Rechenschaftsgericht. Nein Bericht. Ich bin hergekommen, weil man annahm, es sei ein neuartiges Virus entstanden. Dann bin ich dageblieben, weil unsere Freunde hier –“ er zeigte auf die Studenten – „wirklich ein neues Virus entdeckt hatten, das aber an der Krankheit ganz unschuldig ist. Danach tauchte mein Freund Willenius auf, er hat mich überzeugt, daß das Gift von einem Mikroorganismus stammt, und den will ich jetzt erjagen, denn etwas Neues ist bestimmt daran. Noch Fragen?“
    „Ja“, antwortete Wiebke und zeigte auf ihre Tasche, „vielleicht habe ich hier auch etwas Neues? Und es hätte noch den Vorteil, daß Sie es gar nicht zu jagen brauchten? Zum Beispiel – Bakteriophagen!“
    „Nun gut“, sagte der Professor, „erzählen Sie!“
     
    Der Schock, der den Inspektor Herbert Lehmann traf und der ihm wohl auch die graue Haarsträhne brachte, die Wiebke erst gute vierzig Stunden später entdeckte, – dieser Schock kam in einem Augenblick, in dem er das am wenigsten erwartet hätte.
    Sie hatten mit dem Hubschrauber das gesamte Gebiet abgeflogen, das der Meteorologe mit einer Ellipse auf der Karte umrissen hatte – ergebnislos. Herbert wußte jetzt auch gar nicht mehr, was er sich von dem Flug versprochen hatte. Herausgekommen war nichts – sogar weniger als nichts, denn bei all den fraglichen Betrieben und Institutionen, die Herbert auf seiner Liste hatte und die innerhalb dieses Gebietes lagen, hatte der Meteorologe den Kopf geschüttelt. „Von hier aus – unmöglich!“
    In dem Fleckchen jedoch, das der Meteorologe jetzt während des Fluges als wahrscheinlichsten Ausgangspunkt herausgearbeitet hatte, lag überhaupt nichts, was besondere Beachtung verdient hätte – Felder, Wiesen, Straßen, ein paar Seen, ein paar Waldstücke – sonst nichts.
    Es war inzwischen zehn Uhr geworden, und sie entschlossen sich zurückzufliegen. Diesmal überflogen sie die Bezirksstadt direkt. Als sie hinter ihnen lag, sah Herbert plötzlich die Plastvermüllung unter sich. Mehr aus Zerstreutheit setzte er das Fernglas an die Augen, vielleicht, daß er jemand erkennen konnte.
    Der Meteorologe folgte seinem Blick und sagte plötzlich: „Ja, zum Donnerwetter – wenn das Zeug natürlich aus einem Schornstein gekommen wäre, dann würde die ganze Richtung nicht mehr stimmen, dann könnte es zum Beispiel auch von hier sein!“
    Im Bruchteil einer Sekunde ordneten sich in Herberts Kopf all die vielen Einzelheiten über diesen Fall, die hier und da ermittelten Tatsachen und Zusammenhänge, bisher verstreut aufbewahrt, ohne sichtbaren Zusammenhang, zu einem überdeutlich scharfen Bild von überzeugender Logik: Wiebkes Experiment am vorigen Donnerstag, die Explosion im Schornstein, die Vermüllungsbakterien als Abkömmlinge von Milchsäurebakterien, der Wind, das Feld, hier ebenfalls wieder Milchsäurebakterien, die eine Rolle spielen, der Störfaktor in Wiebkes Kurven… War die Plastvermüllung eigentlich auf der Liste? Natürlich war sie drauf. Warum war ihm dieser Zusammenhang nicht früher aufgefallen, hatte er sich etwa innerlich, ohne es zu merken, dagegen gesträubt? Wiebke – Wiebke war schuld an dem allen? Er wollte sich

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