Das Rätsel Sigma
gelangen“, leierte K. O. herunter. „Kein Mensch konnte ahnen, daß irgend etwas eine solche Explosion übersteht! Wir haben ja sogar noch die Sicherheitsventile zusätzlich belastet!“
„Ihr?“ fragte Herbert bitter. „Soviel ich weiß, hast du darauf bestanden und hast es durchgesetzt gegen Wiebke.“
K. O. sah ihn groß an und drehte den Kopf weg. „Oder so“, sagte er. –
„Da haben wir die Bösewichte!“ sagte Professor Novak. „Wollen Sie mal sehen?“
Wiebke und Dr. Willenius traten an das Elektronenmikroskop. Es war auf fünfundzwanzigtausendfache Vergrößerung eingestellt. Auf dem Schirmbild waren kleine, kugelförmige Gebilde zu sehen, die eine Art Fortsatz oder Schwanz trugen, der aber nicht gerade war, sondern fast einen Dreiviertelkreis bildete.
„Sieht aus wie ein kleines Sigma“, meinte Wiebke.
„Na wunderbar“, rief Professor Novak, „damit wäre ja auch schon die Namensgebung vollzogen.“
„Wieso Namensgebung“, fragte Wiebke verwundert, „waren die bisher unbekannt?“
„Jetzt enttäuschen Sie mich aber!“ sagte Professor Novak. „ Wenn Sie mit Mikroorganismen arbeiten, dann sollten Sie wenigstens wissen, daß fast alle Bakteriophagen typisch für eine Bakterienart sind. Und da Ihre Bakterien eine Neuzüchtung darstellen…“
„Da haben Sie nicht unrecht“, gab Wiebke zu, „bisher habe ich die Bakterien als eine feste Größe hingenommen, es stand mir auch gar nicht zu, daran zu deuteln, und da hab ich sie ein bißchen vernachlässigt. Von Hause aus stamme ich ja aus der Plastchemie. Aber bitte, wie ist das möglich, wo kommen die Biester denn her? Das gelieferte Bakterienmaterial ist frei davon, offenbar stecken sie in unserer Schwemme und vererben sich von Bakteriengeneration zu -generation weiter!“
In einer Ecke des Zimmers plumpste etwas. Einer der Studenten brachte eine Rohrpostpatrone und gab sie Professor Novak. Er zog ein Päckchen heraus und einen Brief. „Was kommt uns denn da ins Haus?“ murmelte er, öffnete und las. „Auf die Frage, woher die Biester sind, wirst du keine Antwort von ihm erhalten“, flüsterte Dr. Willenius ihr zu. „Es gibt zwei Hypothesen, und er vertritt mit Nachdruck die eine, daß sich nämlich die Phagen unter bestimmten Umständen im Organismus einer Bakterie selbst bilden, sie dann zerstören und danach auch andere, gesunde, anfallen. Aber er streitet sich darüber nur mit Fachleuten, bei Laien hat er immer Angst, sie könnten seine Auffassung für die einzig richtige halten. Er müßte dir also, um das zu verhindern, auch die entgegengesetzte Hypothese erläutern, und das macht er gar nicht gern.“ Er wandte sich dem Professor zu und fragte laut: „Was gibt's denn?“
„Eine Bakterienkultur“, sagte der Professor merkwürdig zerstreut, „man hat sie uns geschickt, weil wir sie möglicherweise noch brauchen werden.“ Sein Gesicht strafte den nebensächlichen Ton aber Lügen. Es war sehr ernst.
Es klopfte, und Fred Hoffmeister trat ein. „Entschuldigen Sie, ich suche Genossen Lehmann…“ Erst jetzt sah er Wiebke. „Ist Ihr Mann nicht hier? Man hat mir gesagt, er wäre im Hause.“
„Dann wird er wohl auf dem Weg hierher sein“, antwortete Wiebke. „Warten Sie doch auf ihn, die Kollegen werden sicher nichts dagegen haben?“ Sie blickte sich um. Der Professor nickte.
„Wie geht es Ihrer Frau?“ fragte Wiebke leise. Fred Hoffmeister schluckte. „Es sieht schlimm aus“, sagte er dann.
„Wenn man nur helfen könnte!“ flüsterte Wiebke.
Herbert ging zuerst zu Leif in die Datenbank und berichtete.
Leif wurde blaß. „Weißt du, daß Wiebke hier ist?“ fragte er nach einer Weile.
„Ja“, sagte Herbert, „bei Professor Novak. Ich hoffe jedenfalls, daß sie noch dort ist.“ Aber statt zu gehen, setzte er sich schwerfällig in einen der kleinen Sessel.
„Vielleicht ist es besser, wenn ich das übernehme?“ schlug Leif vor.
„Was?“ Herbert schreckte auf. „Ach so, nein, das ist wohl meine Sache. Weißt du, mir ist nur noch nicht klar, wie hier die Schuldfrage liegt. Einerseits verlangt die Schutzbestimmung, daß keine mikrobiologischen Materialien in die Umwelt gelangen, andererseits haben sie alles Erdenkliche getan, um das zu verhindern, wenigstens soweit ich sehen kann. Aber wie weit sehe ich? – Was starrst du mich so an? Ich muß einen Standpunkt dazu haben!“
„Aber doch nicht jetzt gleich“, sagte Leif sanft.
Herbert schüttelte den Kopf. Er merkte, daß er sich – halb
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