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Das Rätsel Sigma

Das Rätsel Sigma

Titel: Das Rätsel Sigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Vorgang ein: Sie zerstören alle Bakterien, die sie erreichen können. Dabei muß als Abfallprodukt das Toxin entstehen, das wir jetzt wohl Sigmaphagin nennen können. Dazu keinen Beweis, aber ein Indiz: solche Populationen sind nicht gleichmäßig über das ganze Feld verteilt, sondern sitzen mal dichter und mal dünner, haben sozusagen viele Zentren. So verteilt sich dann auch das Sigmaphagin. Und ebenso ungleichmäßig ist es dann auch in der Milch verteilt, da es sich ja nicht löst, sondern, wie festgestellt wurde, spontan polymerisiert. Nun?“
    „Das würde also heißen“, fragte Wiebke, „wir müssen die Explosion wiederholen?“
    „Richtig“, antwortete Professor Novak erfreut. „Oder einen ähnlichen Vorgang, der das gleiche bewirkt. Geht das?“
    „Die Explosion war zufällig“, sagte Wiebke. „Aber wir waren auch an ihrer Wiederholung interessiert und haben statt dessen eine Laservorrichtung gebaut, die ganz gefahrlos Millionen kleiner Explosionen hervorruft.“
    „Ausgezeichnet!“ rief Professor Novak. „Worauf warten wir noch? Wir ziehen um in die Plastvermüllung!“
    Die organisatorischen Probleme des Umzugs waren schnell geregelt. Dr. Willenius jedoch blieb im Kernkraftwerk – er wollte noch einzelne Eigenschaften des Sigmaphagins am Computer berechnen. Unversehens fand er sich mit Wiebke allein.
    „Laß den Kopf nicht hängen, Mädchen!“ sagte er.
    „Sigmaphagin!“ murmelte Wiebke undeutlich. „Ist diese Namensgebung durch mich nicht fast eine – eine Ironie?“
    Dr. Willenius sah, daß seine Nichte eine Aufmunterung brauchte und durch einen Scherz nicht gleich leichtfertig werden würde. „Laß nur“, sagte er, „in den Lexika stehst du dann doch als Namenspate und nicht als Verschulderin!“
     
    Gegen zwölf Uhr nahm die neue Abteilung Sigmaphagin in der Plastvermüllung ihre Arbeit auf, indem K. O. eine schon über und über mit Bakterien bedeckte Folie aus der Schwemme holte und in die Lasertrommel hängte. Gleichzeitig begannen in einem anderen Raum die Studenten mit der Vermehrung der MBK 531-5721-32-9, also der ursprünglichen Milchsäurebakterien, denn auch davon würden ja große Mengen gebraucht werden.
    Etwa eine Stunde später landete der erste Hubschrauber mit weiteren Kulturen dieser Bakterie, mit Laborgeräten und freiwilligen Helfern aus einschlägigen Instituten und Betrieben.
    Gegen vierzehn Uhr waren die Abschnitte Vermehrung und Versuchstiere einsatzbereit. Die Studenten waren unversehens zu Abschnittsleitern avanciert.
    Gegen fünfzehn Uhr waren auch die Abschnitte Separation und Verpackung soweit, daß sie die Arbeit aufnehmen konnten. Der hermetische Abschluß aller Arbeiten von der Außenwelt war garantiert. Die neue Abteilung Sigmaphagin hatte zwar noch keinen Leiter und kein Büro, aber in drei großen Sälen arbeiteten über zwanzig Personen intensiv an ihren Aufgaben und warteten nur noch auf eins: auf das erste Sigmaphagin.
    Immer wieder wurden Abstriche von den laserbehandelten Folien gemacht und auf Kulturen der Milchsäurebakterien gegeben, zehn-, zwanzig-, hundertmal, aber die Sigma-Phagen schienen sich zu sträuben, zum zweitenmal die gegen Milchsäurebakterien aktive Modifikation zu liefern.
    Während Wiebke die Lasertrommel weiter bediente, baute K. O. eine zweite, um die Kapazität zu verdoppeln. Professor Novak hatte überschlagen, daß es bis gegen Morgen dauern könne, bevor die gewünschte Modifikation einmal aufträte. Gegen fünfzehn Uhr begann auch die zweite Trommel zu arbeiten, und dann, kurz vor sechzehn Uhr, ging über die inzwischen installierte Sprechanlage die Nachricht an alle: Eine Bakterienkultur ist zerstört. In dem Rückstand konnte mit Hilfe des Indikators Sigmaphagin nachgewiesen werden!
    Für einen Augenblick schienen alle vergessen zu haben, daß ja nur der erste, winzige Schritt getan war und daß, selbst wenn man das Sigmaphagin fix und fertig in der erforderlichen Reinheit und Dosierung abgeben und laufend produzieren konnte, die Schwierigkeiten erst begannen.
    Wiebke konnte die allgemeine Hochstimmung nicht teilen. Sie übergab ihre Trommel einem Mitarbeiter, duschte sich in einer Durchgangskabine vorschriftsmäßig und schlich in ihr altes, vertrautes Labor.
    Sie legte die Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und starrte hinaus in den verregneten Nachmittag, der schon dämmrig schien. Minutenlang stand sie so da. Dann ging sie zum Arbeitstisch, schaltete die Beleuchtung und das Video ein und wählte die

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