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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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    »Die aus Reykjavík gehen
wahrscheinlich spät ins Bett«, sagte Grímur und
blieb stehen, als er sah, dass das Boot der Endenkate-Männer
nicht an seinem Platz war.
    »So ein Mist. Die sind auf dem
Meer«, sagte er. »So lange können wir
natürlich nicht mit ihnen reden.«
    Högni blickte auf das
Küstenwachboot. »Sollen wir an Bord gehen und mit den
Polizisten über Valdi sprechen?«, frage er
zögernd.
    Grímur überlegte.
»Nein. Das sind doch bloß Mutmaßungen, und wir
haben keinerlei Beweise. Ich möchte selber mit Valdi sprechen,
wenn er nach Hause kommt.«
    Högni schien erfreut.
»Dann sollte man sich vielleicht einfach in die Falle
begeben«, sagte er.
    Sie gingen den gleichen Weg
zurück und schwiegen beide, dachten aber umso angestrengter
nach. An der Weggabelung wünschte Högni eine gute Nacht
und ging zur Schule hinüber.
    *
    »38. Frage: Treffen wird er
dann, wenn Gott es will. Erster Buchstabe.
    König Sverrir ritt wieder zu
seinem Schiff, und dann landete ein Pfeil in dem Bootssteven
über ihm. Gleich hinterher kam noch einer geflogen und zischte
knapp an seinem Knie vorbei. Der König saß gelassen da
und zeigte keine Reaktion, aber ein Mann aus seinem Gefolge sagte:
›Ein gefährlicher Schuss, Herr.‹ Der König
antwortete: ›Treffen wird er dann, wenn Gott es
will.‹
    Die Antwort ist ein Schuss, und der
erste Buchstabe ist S.«

Fünfundfünfzig
    Mittwoch, 8. Juni 1960 
    Es war schon nach Mitternacht, als
Grímur sich in dem kleinen ehelichen Schlafzimmer
auszuziehen begann. Ingibjörg schien zu schlafen, wachte aber
auf, als er unter das Oberbett schlüpfte.
    »Hast du daran gedacht, die
Kühe zu tränken?«, fragte sie
schläfrig.
    Grímur setzte sich wieder auf.
»Nein, natürlich nicht. Man ist die ganze Zeit mit
seinen Gedanken ganz woanders, oder vielleicht bin ich auch einfach
nur verkalkt«, sagte er und streckte die Hand nach seinen
Kleidern aus. 
    »Was für furchtbare
Zeiten. Man ist völlig daneben, zum Teufel nochmal«,
sagte er, als er wieder am Steilufer entlangschritt. Er holte die
Wassereimer aus dem Stall und ließ sie in den Brunnen
hinunter. Nach dem Regen war der Wasserspiegel ziemlich hoch, und
deswegen war es nicht schwer, die Eimer hochzuhieven. Er ging
zweimal hin und her, aber als er die Stalltür wieder zumachen
wollte, sah er, dass Kolk ebenfalls Wasser aus dem Brunnen bei
seinem Stall holte.
    Grímur ging über die
Wiese zu ihm. »Immer noch auf den Beinen, mein lieber
Kolk?«
    »Ja, man muss doch die Tiere
versorgen«, antwortete der Mann niedergeschlagen.
Grímur schwieg eine Weile und sagte schließlich:
»Ja, das sind schlimme Zeiten für uns hier in
Flatey.«
    Kormákur Kolk nickte
schweigend.
    Grímur fuhr fort: »Die
Kriminalpolizisten glauben, dass Kjartan und Jóhanna diesen
Zeitungsfritzen umgebracht und ihn auf dem Friedhof so hergerichtet
haben.«
    Kormákur Kolk schüttelte
stumm den Kopf.
    Grímur redete weiter:
»Und dann kam die Nachricht aus Reykjavík, dass der
Reporter ertrunken ist, und zwar nicht im Meer, sondern in normalem
Wasser.«
    »Na, dann wissen die Polizisten
aber doch auch, dass die beiden nichts verbrochen haben«,
antwortete Kolk auf einmal eifrig.
    »Nein, denn jetzt sagen sie,
dass Kjartan und Jóhanna den Mann in der Badewanne im
Arzthaus ertränkt haben«, sagte
Grímur.
    Kolk schüttelte wieder den Kopf.
»Verdammter Quatsch, die haben niemandem etwas zuleide
getan«, sagte er.
    »Da stimme ich ganz mit dir
überein. Aber wer hat es dann getan?«, fragte
Grímur.
    Kormákur Kolk antwortete
nicht.
    Grímur fuhr fort:
»Högni und ich haben überlegt, ob Valdi in
Endenkate die Kontrolle über sich verloren hat. Glaubst du
vielleicht, dass das sein kann?«
    Kormákur Kolk blickte wortlos
auf Grímur und fing dann plötzlich an zu weinen, das
stille, tränenlose Weinen eines alten Mannes.
    Grímur starrte entgeistert auf
den Mann, der am Boden zerstört zu sein
schien.
    »Es ist alles meine
Schuld.« Der alte Mann rief mit gebrochener Stimme in die
Nacht hinaus, so als solle sein Geständnis über die ganze
Insel gehört werden.
    Grímur versuchte, Klarheit zu
gewinnen. »Deine Schuld?«, fragte er.
    »Ich war es, ich war es«,
stieß Kormákur Kolk unter heftigem Schluchzen
hervor.
    »Wie denn das, mein lieber
Kolk?«
    »Ich war es, und jetzt werden
alle anderen verdächtigt.«
    »Hast du den Mann ermordet,
Kolk?«
    »Ermordet? Nein, überhaupt
nicht. Er ist ganz ohne Beistand ertrunken, aber ich habe ihn dann
so

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