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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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nichts und brachte es zu
Papier.
    Jóhanna packte mit festem
Griff Anorak und Hose und drehte die Leiche mit einem
entschlossenen Ruck um. Dabei wurden noch weitere Fliegen aus dem
Schlaf gerissen und flogen auf.
    »Keine Reste von Haut oder
Fleisch im Gesicht, auch keine Überreste der Augen«,
sagte Jóhanna und entnahm der Tasche ein Gerät, das sie
dazu verwendete, die Kiefer auseinander zu
zwingen.
    »Zähne in gutem Zustand,
aber abgenutzt. Einige gut gearbeitete Goldplomben. Der Mann war
nicht mehr der Jüngste, aber so wohlhabend, dass er sich einen
ausgezeichneten Zahnarzt leisten konnte.«
    Sie untersuchte den Schädel
unter der Kapuze.
    »Reste von grauem
Haar.«
    Sie ging zum Ende des Kastens und sah
sich die Schuhe an. »Solide Bergschuhe aus Leder. Beim
rechten Schuh fehlt der Riemen.«
    Als Nächstes untersuchte sie die
Hände. »Kein Ring an den
Fingern.«
    »Solider Anorak mit rostfreiem
Reißverschluss. Scheint eine ausländische Marke zu sein,
Farbe dunkelgrün. In den Außentaschen sind ...«
Sie schaute in die eine Tasche und nahm dann eine Pinzette und eine
kleine Tüte zur Hand. »... ein paar kleine Muscheln,
eine Miesmuschel, ein kleiner Seestern und Reste von ... einem
Schlickröhrenwurm, glaube ich.« Sie steckte alles, was
sie der Tasche des Toten entnahm, in die
Tüte.
    »Der Tote hat sie
offensichtlich an sich genommen, weil er Hunger litt und keine
anderen Nahrungsmittel zur Verfügung standen. Das muss anhand
einer Autopsie untersucht werden. Auf Muschelvergiftung
überprüfen, falls möglich.«
    Sie untersuchte den Anorak von innen.
»Keine Innentaschen. Trägt unter dem Anorak eine
bräunliche Strickjacke mit Seitentaschen. In der rechten
Tasche ein Portemonnaie aus Leder.« Sie nahm das Portemonnaie
mit einer Zange, steckte es in eine Papiertüte und reichte sie
Kjartan. »Hier, nimm das und schau es dir
an.«
    Er öffnete das Portemonnaie und
fand einige Geldscheine und Münzen. Er zählte: »...
siebentausend, zweihundert, zweiundfünfzig Kronen und
fünfzehn Öre.« Sonst befand sich nichts in dem
Portemonnaie, und er steckte das Geld zurück.
    »Der hat aber ganz schön
viel Geld bei sich gehabt«, bemerkte er.
    Jóhanna untersuchte die andere
Jackentasche. Sie fischte einen kleinen zusammengefalteten Zettel
heraus und reichte ihn Kjartan. Der faltete den Zettel auseinander
und schaute sich ein paar Worte an, die mit Bleistift geschrieben
waren, und las dann laut: »Dieses Buch besitze ich,
Jón Finnsson, als Gabe von meinem seligen Vatersvater,
Jón Björnsson, was alles rechtens nachgewiesen werden
kann, und es wurde mir von meinem leiblichen Vater, Finnur
Jónsson, selbstpersönlich überreicht und in
selbigem Sinne nunmehro zum Besitze gegeben. Zum Zeichen dafür
steht mein Name hier endesunterfertigt.« Die Schrift war klar
und deutlich zu lesen.
    Kjartan musterte den Zettel
eingehend. Unter dem Text stand in einer anderen Handschrift
»folio 1005« geschrieben. Auf der Rückseite waren
39 Buchstaben in drei Reihen angeordnet worden, aber sie ergaben
keinerlei Sinn.

      Der Zettel war aus einem
Spiralheft herausgerissen worden, ein kleines Blatt mit engen
blauen Linien. Er ließ den Zettel in die Tüte mit dem
Portemonnaie fallen und steckte diese dann in seine
Manteltasche.
    Kjartan sagte: »Wir haben dann
also einen Namen als Ausgangspunkt. Jón Finnsson. Es scheint
eine Art Exlibris zu sein, klingt aber reichlich altmodisch und
gestelzt.«
    Jóhanna sagte: »Einige
Leute hier auf den Inseln sind etwas
altmodisch.«
    Sie beendete die Suche in den
Taschen, mehr war nicht zum Vorschein gekommen.
    »Unter der Strickjacke ein
hellbraunes Hemd aus Baumwolle, grünes Halstuch. Dem Anschein
nach alles sehr gediegene und teure Sachen.«
    Kjartan fragte: »Kann das
jemand hier von den Inseln gewesen sein?«
    »Sehr unwahrscheinlich«,
entgegnete sie. »Er wäre dann doch bestimmt vermisst
worden. Hier ist niemand so einsam, dass man nicht spätestens
nach zwei oder drei Tagen anfangen würde, sich Gedanken zu
machen. Außerdem ist die Kleidung auch ganz anders, als sie
hier auf den Inseln üblich ist.«
    »Vielleicht ein
Ausländer?«
    »Keine Ahnung«,
entgegnete sie. »Aber das hier muss vorläufig
genügen. Wir schicken ihn so, wie er ist, nach
Reykjavík. Dort kann er dann besser untersucht
werden.«         

    Sie legte den Deckel wieder auf den
Kasten und verschloss ihn sorgfältig. Dann gingen sie
hinaus.
    »Sagt euch der Name Jón
Finnsson etwas?«, fragte

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