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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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auch in den Fenstern sah man keine
neugierigen Gesichter. Das Dorf schien menschenleer zu
sein.
    Kjartan fragte ganz verwundert:
»Wo sind denn die ganzen Leute? Essen alle hier im Dorf zur
gleichen Zeit zu Abend, oder was?«
    Grímur sah sich um.
»Nein, das ist bei uns nicht üblich. Aber bei solchen
schlimmen Ereignissen ist den Leuten nicht wohl. Der Tod ist alles
andere als eine Attraktion für die Menschen hier, deswegen
wenden sie sich ab.«
    »Und ziehen sich in ihre
Häuser zurück?«, fragte Kjartan.
    »Die Erwachsenen legen keinen
Wert darauf, diesen Transport mitzuverfolgen, und die Kinder werden
im Haus gehalten, damit sie keine dummen Faxen machen«, sagte
der Gemeindevorsteher ernst.
    Während Högni das Boot
festmachte, trugen Grímur und Kjartan den Kasten vorsichtig
die Stufen hoch und setzten ihn auf dem Handwagen
ab.
    Der Pfarrer, ein Achtung gebietender
Mann um die siebzig, war glatzköpfig, hatte aber lange, graue
Koteletten und trug eine Brille mit kreisrunden Gläsern. Er
verbeugte sich in ihre Richtung und begann dann, irgendetwas
über der Kiste zu murmeln, was Kjartan kaum hören,
geschweige denn verstehen konnte. Dann nickte er Kormákur
Kolk zu, der sich den Hut aufsetzte und sich mit dem Handwagen in
Bewegung setzte. Grímur und Högni gingen hinter dem
Wagen her und schoben. Dann kam der Pastor, und zum Schluss
Kjartan.
    Die Kirche lag auf dem höchsten
Punkt der Insel und deswegen ging es leicht bergan, aber das
beeinträchtigte den Transport nicht, denn die Last war leicht.
Kormákur Kolk schien außerdem so stark zu sein, dass
er es auch geschafft hätte, den Wagen ganz allein zu ziehen.
Die anderen beiden schoben offensichtlich nur, damit sie etwas zu
tun hatten. Ihre Schritte waren gemessen und würdevoll, und
die Holzräder quietschten leise im Takt.
    Sie hatten es nicht weit bis zur
Kirche, aber Kjartan schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis sie ihr
Ziel erreicht hatten.
    Kormákur Kolk öffnete die
Kirchentür mit einem großen Schlüssel. Sie trugen
die Kiste hinein und setzten sie auf zwei Schemeln ab, die im
Mittelgang aufgestellt worden waren. Anschließend gingen sie
wieder hinaus und atmeten tief die frische Luft
ein.
    Jetzt belebte sich der Ort auf einmal
wieder. Kinder sprangen zwischen den Häusern hin und her. Drei
Männer unterhielten sich an einer Weggabelung und blickten hin
und wieder zur Kirche hinüber. Frauen nahmen die Wäsche
von der Leine. Ein kleiner Junge trieb unterhalb des Hangs
Kühe vor sich her. Dieser plötzliche Umschwung in einem
gerade noch wie ausgestorbenen Ort war wie von Zauberhand
bewirkt.    
    Grímur erklärte:
»Ich habe die Frau Doktor gebeten, hierher zu kommen und sich
diesen Mann in der Kiste anzuschauen. Sie ist so etwas eher gewohnt
als wir ... glaube ich zumindest.«
    Der Pfarrer verabschiedete sich.
»Du denkst daran, die Kirche zu verschließen, mein
lieber Kolk«, sagte er über die Schulter
zurückblickend, während er sich eilends
davonmachte.         
     
    »Unser Herr Pfarrer möchte
sich ungern den Appetit aufs Abendessen verderben lassen«,
sagte Grímur und blickte dem Pfarrer nach.
    Högni sagte: »Ich hab mal
einen Mann gekannt, der zur Oddbjarnar-Schäre gefahren ist, um
eine angetriebene Leiche zu holen. Der Gestank war so schlimm, dass
er drei Tage lang keinen Appetit mehr hatte, obwohl er hungrig war.
Erst als sie ihn an Hirschhornsalz riechen ließen, wurde er
davon kuriert.«
    »Weiß die Ärztin,
dass wir da sind?«, fragte Kjartan.
    »Alle wissen, dass wir da
sind«, entgegnete Grímur. »Jóhanna wird
bestimmt bald hier sein.«
    »Ist es nicht schwer für
eine Ärztin, ihrem Beruf nachzugehen, wo die
Verkehrsverbindungen hier so schwierig sind?«, fragte
Kjartan. 
    Grímur schneuzte sich, bevor
er antwortete: »Bislang hat es jedenfalls noch keine Probleme
gegeben. Von akuten Plagen sind wir verschont geblieben, und hier
ist niemand schwanger. Wer richtig krank ist, kommt nach
Reykjavík ins Krankenhaus. Meist geht es um das verdammte
Rheuma, um Hämorrhoiden und Zahnschmerzen, die behandelt
werden müssen. Jóhanna hat ganz schön was in den
Armen, und wenn’s sein muss, kriegt sie einen Zahn schnell
raus. Als sie nach Flatey kam, hat sie sich auch sofort zeigen
lassen, wie man ein Motorboot bedient. Bei gutem Wetter fährt
sie nämlich selber zwischen den Inseln hin und her, um
Krankenbesuche zu machen, weil sie die Männer nicht
unnötigerweise von der Arbeit abhalten
möchte.«
    Högni fügte

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