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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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beendet und machte sich wieder an die Eiderdaunen.
Für ihn schien das Gespräch beendet zu sein, also
verabschiedete sich Kjartan und verließ den Schuppen. Die
frische Luft draußen tat ihm gut. 
    Ein junger Mann strich die
Fensterrahmen im Nachbarhaus mit grüner Farbe an. Der helle
Haar fiel ihm in die Stirn, und Kjartan überlegte, ob es sich
womöglich um einen Elf handelte. Wahrscheinlich nicht, dachte
er, als der junge Mann den Pinsel weglegte und sich eine Zigarette
anzündete. Dann erinnerte er sich, dass er ihn tags zuvor
gesehen hatte, als er ein Seehundfell an eine Schuppenwand nagelte.
Das Haus war mit weiß bemaltem Wellblech verkleidet, aber das
Dach war grün. Über der Tür hing ein Schild mit der
Aufschrift RATHOF, und darunter stand die Jahreszahl
1927.   

    »Bist du von der
Polente?«, rief der Junge Kjartan zu.
    »Nein, ich bin kein
Polizist«, antwortete Kjartan und ging näher zu ihm
hin.
    »Ach nee. Ich hab gehört,
du kämst von der Polente in
Patreksfjörður.«
    »Nein, ich bin nur der
Bevollmächtigte des
Bezirksamtmanns.«    

    »Ja, ist das denn nicht so was
wie ein Gendarm?«
    »Nein!«
    »Sollst du nicht herauskriegen,
wer den Kerl da auf der Insel umgebracht
hat?«
    »Doch ... nein, ich bin dabei,
herauszufinden, wer das ist. Ich bezweifle, dass er umgebracht
worden ist.«
    »Ich dachte, du wärst von
der Polente«, wiederholte der Junge enttäuscht. Er
versuchte, ein rotes Kofferradio anzuschalten, das auf einem Regal
hinter dem offenen Fenster stand.
    »Hast du schon mal was von
Elvis Presley gehört?«, fragte er.
    »Nein, das kann ich eigentlich
kaum sagen«, erwiderte Kjartan.
    »Er wird ja auch kaum je im
Rundfunk gespielt. Ich kann aber nachts manchmal ausländische
Rundfunksender empfangen, wenn die Bedingungen gut sind. Da wird
viel von Elvis gespielt. Ich hab mir selbst eine Antenne
gebastelt.« Der Junge deutete auf einen Kupferdraht, der
zwischen dem First des Hauses und dem Schuppen gespannt war.
Glasisolatoren befanden sich an den Befestigungen, und von dieser
Antenne führte ein Draht durch das offene Fenster in ein
Zimmer hinein.
    »Im Jugendmagazin
Fálkinn stand auch ein Artikel über Elvis«,
fügte der Junge hinzu.  
 
    Er beschäftigte sich wieder mit
dem Kofferradio, das aber keinen Ton von sich gab, obwohl er es
heftig schüttelte.
    »Die Batterien sind
alle«, erklärte er. »Im Herbst kaufe ich mir
vielleicht einen Plattenspieler und ein paar
Platten.«
    »Du lebst also hier?«,
fragte Kjartan.
    »Ja, aber ich will nach
Reykjavík ... oder zumindest nach
Stykkishólmur.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Ich will Traktor fahren
lernen, und vielleicht auch den Führerschein
machen.«
    »Gibt’s hier auf der
Insel einen Traktor?«
    »Nein, noch nicht, aber
vielleicht wird die Gemeinde einen kaufen. Dann brauchen sie
jemanden, der damit umgehen kann.«
    Kjartan fiel auf einmal die
Ermittlung ein, mit der er beauftragt war, und er fragte:
»Kannst du dich vielleicht daran erinnern, dass du hier
irgendwann in den vergangenen Monaten einen Reisenden in einem
grünen Anorak und mit Bergschuhen aus Leder gesehen
hast?«
    »Ist das der tote Mann?«,
fragte der Junge.
    »Ja, der Mann war schon etwas
älter und grauhaarig. Wahrscheinlich war er allein
unterwegs.«
    Der Junge kratzte sich am Kopf und
schien angestrengt nachzudenken.
    »In diesem Winter oder im
Frühjahr ist er nicht hierher gekommen. Dann hätte ich
ihn gesehen. Aber vielleicht war er vorigen Sommer hier. Da waren
hier ein paar Gäste, und einige waren
Ausländer.
    »Ausländer?«
    »Ja, die können tagelang
die Papageitaucher anglotzen. Manchmal verkaufe ich denen
Seeigel-Schalen oder Schädel.«
    »Schädel?«
    »Ja, vom Seehund. Oma
räuchert manchmal die Seehundköpfe und kocht sie dann in
einer Suppe. Und dann lasse ich das, was noch an ihnen
dranhängt, einfach abfaulen und sie ein paar Wochen
trocknen.«
    »Verkauft sich so was
gut?«
    »Nee, nur wenn die Kerle
besoffen sind. Dann kaufen sie einem manchmal was
ab.«
    »Na, ich will dich nicht von
der Arbeit abhalten«, sagte Kjartan. »Wie heißt
du übrigens?«
    »Benjamín
Guðjónsson, Benni genannt, aber ich möchte gern Ben
heißen, so wie in Ben Hur.«
    »In Ordnung ...
Ben.«
    Kjartan drehte sich um und ging
zurück. Als er zu dem offenen Platz oberhalb des Anlegekais
kam, sah er, dass sich das Boot von Gemeindevorsteher Grímur
der Insel näherte.
    *
    ... Der Bauer Jón
Hákonarson in Víðidalstunga stellte zwei Priester
an, um das

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