Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
Vom Netzwerk:
königliche Buch zu schreiben, sie hießen
Jón Þórðarson und Magnús
Þórhallsson. Außer den Namen weiß man
nichts über sie, aber man kann davon ausgehen, dass sie
gebildete Männer waren und geübt im Schreiben gewesen
sein müssen. Das Manuskript zeugt von äußerster
Sorgfalt, die Schreibhand ist sicher und klar strukturiert. Die
Initialen sind häufig farbig und mit Bildern von Menschen,
Tieren und Blumen oder mit Ornamenten ausgeschmückt. Diese
Ausschmückungen, oder Illuminationen, wie sie wissenschaftlich
heißen, stammen von Magnús. Sie erforderten eine
enorme Arbeit, und man vermutet, dass er für jede Seite nicht
weniger als einen ganzen Tag gebraucht hat. Vielleicht waren es
diese Illuminationen, die dazu geführt haben, dass
Flateyjarbók so gut erhalten geblieben ist. Das Manuskript
hat wegen seines Aussehens und der handwerklichen Perfektion von
Anfang an als Kostbarkeit gegolten. Wer auch immer es in
Händen hatte, behandelte es mit Sorgfalt und Respekt. Es
bestand keine Gefahr, dass die Seiten dieses Buchs als Schuhsohlen
oder Schnittmuster verwendet wurden, wie es das Schicksal anderer
isländischer Handschriften gewesen ist, bei denen nicht so
viel Wert auf die Ausschmückung gelegt worden war. Deswegen
ist es wohl auf die handwerkliche Kunstfertigkeit
zurückzuführen, dass die Erzählungen der Autoren
erhalten blieben ...

Zehn
    Kjartan beobachtete Grímur und Högni
in ihrem Boot vom Land aus und ging dann um die Bucht herum zu
ihnen hinüber, nachdem sie in der Nähe einer roten
Baracke im Westen des Ortes gelandet waren. Das Boot war mit dem
Steven ans Ufer hinaufgezogen und mit einem Seil an einem Stein
angebunden worden, der seit jeher dazu diente, die Boote
festzumachen.
    Die beiden schleppten gemeinsam einen
Seehund aus dem Boot und die Uferböschung hoch, als Kjartan zu
ihnen stieß. Zwei weitere lagen noch im Boot. Die Tiere waren
schwer, und die Männer hatten ihre Mühe, auf dem nassen,
tangbewachsenen Ufergeröll vorwärts zu kommen, das
mittlerweile schon wieder von den Wellen überspült
wurde.
    »Das geht ganz schön in
die Arme«, sagte Högni, als die beiden das letzte Tier
auf das Strandgeröll gelegt hatten.
    »Sie sind kleiner, als ich
gedacht hatte«, meinte Kjartan.
    »Das sind Junge, die sind erst
ein paar Wochen alt«, erklärte Grímur.
»Klar, dass sie noch nicht groß sein können. Aber
sie sind gut im Futter, richtig schön
fett.«
    Högni stieg wieder ins Boot, um
es zu seinem Liegeplatz zu bringen. Grímur nahm eine Prise
und schleuderte einen der Kadaver auf ein
Holzgestell.
    »Der Bezirksamtmann will, dass
ich genauer überprüfe, ob jemand den Toten kennt«,
sagte Kjartan. »Er geht davon aus, dass du mir dabei helfen
wirst.«
    »Wir können gern hier
herumspazieren und ein paar Besuche machen, wenn das Tagewerk
verrichtet ist«, sagte Grímur und schärfte ein
kleines Messer. »Aber es ist nicht nötig,
überstürzt vorzugehen. Zunächst mal sollten alle
Leute hier auf der Insel unsere Bekanntmachung gelesen
haben.«
    Er setzte das Messer an und schnitt
die Haut rund um den Kopf auf. Ein feuerroter Kragen öffnete
sich in dem dunklen Fell.
    »Ich habe das Gefühl, dass
sich da im Lauf des Tages etwas tun wird«, erklärte
Grímur und ritzte als Nächstes um die Vorderflossen
herum und am Hinterteil um die Schwanzflosse. Aus diesen Schnitten
blutete es nicht, aber man sah weißes Fett und blutrotes
Fleisch.
    »Wieso glaubst du das?«,
fragte Kjartan.
    »Uns sind fast den ganzen Weg
zurück zwei Schweinswale gefolgt. Ich habe oft die Erfahrung
gemacht, dass sich irgendwas zuträgt, wenn Wale im Kielwasser
schwimmen.« Grímur hob wieder das Messer und
schlitzte, ohne abzusetzen, den ganzen Bauch vom Hals bis zum
Schwanz auf. Dann löste er die Haut des Tieres so ab, dass
eine dünne Fettschicht daran
zurückblieb.
    »Glaubst du ...
tatsächlich an so etwas?«, fragte
Kjartan.
    Grímur schaute von seiner
Beschäftigung hoch und schmunzelte. »Es gibt aber auch
noch andere Anzeichen«, sagte er und deutete mit dem blutigen
Messer auf den Ort. »Siehst du das Pfarrhaus da auf der
anderen Seite der Bucht? Vorhin sah ich den kleinen Svenni da
rauskommen und die hohle Gasse hinauflaufen. Dann hatte es eine
Weile den Anschein, als ob er verschwunden wäre, aber jetzt
sehe ich ihn da am Steilufer entlangrennen, als ob ihm der Teufel
auf den Fersen wäre.« Grímur wies auf einen
kleinen Jungen, der auf sie zugelaufen kam. »Pastor Hannes
hat ihn mit einer

Weitere Kostenlose Bücher