Das Raetsel von Flatey
ihren Namen erhalten ...
... Im 16. Jahrhundert erwachte in
Europa das nationale Bewusstsein. Die nationale Identität
wurde betont und die Erstarkung der Königsmacht. Auf einmal
erwachte auch das Interesse für die eigene Vergangenheit. In
den Ländern des Nordens wussten die Gelehrten, dass es in
Island wertvolle historische Quellen gab. Der dänische
König schickte im 17. und 18. Jahrhundert Handschriftensammler
nach Island. Der Ambitionierteste von ihnen war Árni
Magnússon, aber es waren auch viele andere beteiligt. In den
Sagas von den isländischen Bischöfen heißt es, dass
Jón Finnsson, Großgrundbesitzer zu Flatey, eine
umfangreiche Pergamenthandschrift in der alten mönchischen
Schrift besaß, die einige Sagas von den norwegischen
Königen beinhaltete, aber auch noch andere Dinge, und von da
an wird die Handschrift allgemein Flateyjarbók genannt
...
Fünfzehn
Nach dem Besuch in Endenkate gingen Kjartan und
Grímur zum Telegrafenamt und führten etliche
Telefongespräche. Über die Radiostation in Gufunes
bekamen sie Verbindung zum Postschiff, das sich zurzeit auf der
Faxaflói-Bucht befand. Es war mit einer Ladung Zement auf
dem Weg von Akranes nach Stykkishólmur. Die Besatzung konnte
ihnen in Bezug auf den ausländischen Passagier nicht
weiterhelfen. Möglich, dass er an Bord gekommen war, aber sie
konnten sich nicht speziell an ihn erinnern. Am ehesten hatte noch
der Koch Kontakt zu den Passagieren. Aber genau in dieser Zeit im
vergangenen Jahr war er in Urlaub gewesen. Ein junges Mädchen,
das gerade die Haushaltsschule absolviert hatte, hatte ihn
vertreten. Die war aber jetzt, soweit man wusste, auf den
Westmännerinseln verheiratet.
Pastor Veigar in Reykhólar
konnte sich gut an Gaston Lund erinnern, hatte aber weder von ihm
gehört noch ein Lebenszeichen von ihm erwartet. Lund hatte nur
eine Nacht in Reykhólar verbracht. Der Hoteldirektor in
Stykkishólmur versicherte, dass Lund in der Nacht, nachdem
das Postschiff von Flatey kommend angelegt hatte, nicht im Hotel
übernachtet hatte. Der Bus nach Reykjavík ging erst am
nächsten Morgen, deswegen musste er irgendwo anders im Dorf
übernachtet haben, falls er tatsächlich mit dem Schiff
gekommen war.
Der Fahrer des Linienbusses von
Stykkishólmur nach Reykjavík war in der Hauptstadt.
»Ich kann mich ja noch nicht mal erinnern, wer gestern im Bus
gesessen hat«, antwortete er, als Grímur ihn fragte,
ob er sich an einen dänischen Passagier am vierten September
des Vorjahres erinnern könne.
Schließlich wurden die
Informationen der Kriminalpolizei in Reykjavík durchgegeben.
Gaston Lund hatte nach seiner Ankunft in Island zwei Nächte im
Hotel Borg verbracht und einen Koffer zur Aufbewahrung im Hotel
hinterlassen, während er das Land bereiste. Dieser Koffer war
im Keller abgestellt und dort vergessen worden. Deswegen war es
niemandem aufgefallen, dass er nicht abgeholt
wurde.
Kjartan und Grímur blieben bis
zum Abendessen im Telegrafenamt und setzten ihre Nachforschungen
fort. Stína, das Fräulein vom Amt, und ihr Kollege in
Stykkishólmur waren weit über die normale Zeit hinaus
im Dienst und verfolgten die Telefongespräche gespannt
mit.
Von der dänischen Botschaft
kamen weitere Informationen. Gaston Lund war Mitte Juli von
Kopenhagen nach Norwegen gereist. Er war ein eingefleischter
Junggeselle mit den entsprechenden Eigenheiten und ging meist
seiner eigenen Wege. Seine Kollegen an der Universität
wussten, dass er Bergen, Trondheim und Stiklestad in Norwegen
besuchen wollte. Eine Reise nach Island hatte er nicht
erwähnt. Man hatte ihn sehr bald als vermisst gemeldet, als er
weder beim Handschriftenkongress aufgetaucht war, wo er einen
Vortrag hätte halten sollen, noch seine Vorlesungen an der
Universität angetreten hatte. In Norwegen hatte eine
umfangreiche Fahndung stattgefunden. Anfang September hatte es ein
Fährunglück in der Nähe von Bergen gegeben, und man
war dann davon ausgegangen, dass er sich unter den Vermissten
befand. Deswegen hatte die Nachricht, dass Gaston Lund auf einer
unbewohnten Insel in Island tot aufgefunden worden war, wie eine
Sensation
eingeschlagen.
In den Abendnachrichten des Rundfunks
wurde die Angelegenheit ausführlich behandelt. Der
Bezirksamtmann in Patreksfjörður erklärte in einem
Interview, dass die Ermittlungen in vollem Gange
seien.
*
... Im Jahre 1647 war Bischof
Brynjólfur Sveinsson auf einer Visitationsreise durch den
westlichen Landesteil und hielt am
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